Zitadelle des Lernens - Coimbras Universität ist jetzt Welterbe
Coimbra (dpa/tmn) - Die Universität in Coimbra, stolz auf einem Hügel über der Stadt gelegen, ist die graue Eminenz unter den Hochschulen Portugals. 2013 ernannte die Unesco die Universitätsstadt zum Weltkulturerbe.
„Coimbra“, schmachtet Hugo Martins, „du bist am bezauberndsten in der Stunde des Abschieds.“ Die Touristen auf den Stühlen des Fado-Kulturhauses singen zaghaft mit, auf Portugiesisch oder mit dem internationalen „Lalala“. Auf der Leinwand hinter den Musikern flimmern die Bilder der Queima das Fitas, der großen Feier zum Ende des Studienjahres. Man sieht Tausende von Studenten, die sich um die alte Kathedrale drängen und die Fado-Sänger auf den Treppen, alle in den schwarzen Uniformen. Martins ist erst 22, aber er hat schon dreimal auf diesen Treppen gestanden. Wie Generationen vor ihm besingt er die Schönheit Coimbras. Und natürlich die Liebe.
„90 Prozent der Lieder hier handeln von der Liebe“, sagt Martins, Student der internationalen Beziehungen, nach dem Konzert im Kulturzentrum Fado ao Centro. Darin unterscheide sich der Fado Coimbras von seinem Vetter in Lissabon. In der Hauptstadt singe man über die Nöte des täglichen Lebens. „Hier sind die Themen vollkommen anders“, sagt Martins. Der Fado wurde erfunden von den Studenten, er ist Teil der Tradition in der ältesten Universitätsstadt Portugals. Und damit gehört er seit 2013 auch zum Weltkulturerbe.
Denn die Unesco hat nicht nur die Zitadelle des Lernens auf dem Hügel und die Colégios in der Rua da Sofia gewürdigt, sondern auch die akademischen Traditionen, die viele Studenten am Leben halten und manche so tief verachten. Seit 1537 sitzt die erste und bis 1911 einzige Universität Portugals im königlichen Palast Alcáçova.
Tiago Boavida führt die steilen Treppen der Rua Quebra Costas hinauf, durch den maurischen Torbogen Arco de Almedina und vorbei an der alten romanischen Kathedrale Sé Velha, vor der die Studenten in der ersten Nacht der Queima das Fitas gemeinsam singen. Der Stadtführer erklärt, warum am Abend zuvor Horden von Studenten grölend durch die Altstadt gezogen sind. „Jetzt kommen die Neulinge an“, sagt er. Sie müssten sich den Initiationsriten der Älteren unterwerfen.
Im Sala dos Capelos, dem Festsaal der Universität, ist das Altehrwürdige noch zu spüren. Ringsum hängen die Porträts aller Könige Portugals über Azulejos und dunklem Gestühl. Noch mehr Ehrfurcht flößt die Biblioteca Joanina ein. In den geschnitzten Regalen stehen Abertausende ledergebundene Bücher mit Goldlettern, überall Kronen, Wappen, Gemälde.
Für die Kulturreisenden, die auf ihrer Portugal-Tour hier einen Stopp einlegen, ist all die erhabene Pracht hübsch anzuschauen. Manche der 35 000 Studenten aber nervt der akademische Weihrauch. Vor allem jene, die in den Républicas wohnen.
„Die Républicas heißen so, weil sie sich als autonome Länder sehen“, erklärt Boavida. Früher waren sie Widerstandszellen gegen das Salazar-Regime. Der linke Geist ist geblieben.
Tiago Boavida führt die Gassen hinab zum Botanischen Garten, wo die Studenten im Sommer im Schatten der Palmen lernen. Vor der neuen Bibliothek klampfen, trommeln und singen Pharmaziestudenten, um Geld zu sammeln für irgendeine Feier. Und unten am Rio Mondego sitzen die Jungen unter den Sonnenschirmen der Bars. Von hier hat man einen herrlichen Blick auf die stolze Universität, angestrahlt von der Abendsonne. Die Stunde des Abschieds, sie muss wirklich schmerzen in Coimbra.