ESC-Gastgeber mit vielen Fragezeichen

Aserbaidschan soll als islamisches Land den freizügigen Song Contest ausrichten.

Baku. Freudentaumel im Eurovisions-Siegerland Aserbaidschan: Mit Jubelgeschrei stürmten zehntausende Aserbaidschaner trotz strömenden Regens in tiefer Nacht auf die Straßen der Hauptstadt Baku, um den Sieg des Duos Ell & Nikki zu feiern. „Hurra!“, „Es lebe Aserbaidschan!“ und „Wir sind eine Sieger-Nation!“ riefen die Menschen in der islamisch geprägten Ex-Sowjetrepublik. Massenhafte und spontane Straßenaktionen sind in dem mit harter Hand geführten Südkaukasus-Staat eher die Ausnahme. Grand-Prix-Fans müssen für ihre Party des Jahres 2012 nicht nur eine weite Reise auf sich nehmen (von Deutschland aus gut 3000 Kilometer Luftlinie), sondern auch ein Visum haben.

Das öl- und gasreiche Land sicherte spontan eine würdige Ausrichtung des Grand Prix für 2012 zu. Noch am späten Sonntagabend wurden Ell & Nikki („Running Scared“) nach ihrem Sieg in Düsseldorf in Baku erwartet. Ein Autokorso mit vor Freude weinenden Menschen fuhren hupend durch die Stadt. Fußballtrainer Berti Vogts, der die aserbaidschanische Nationalelf betreut, berichtete von Jubelszenen in Baku. „Auf den Straßen rufen sie ,Danke Deutschland, Danke Deutschland’, sagte Vogts.

Es war erst das vierte Mal, dass sich die islamisch geprägte Südkaukasusrepublik dem Liederwettbewerb gestellt hatte. Für das kleine Land am Kaspischen Meer hat der Sieg enorme politische Bedeutung. „Das ist ein historischer Sieg“, sagte der Generaldirektor des Staatsfernsehens, Ismail Omarow. Das von Präsident Ilcham Alijew autoritär geführte Land strebt nach stärkerer Wahrnehmung im Westen.

Wie das islamischen Werten verhaftete Aserbaidschan allerdings mit der beim Grand Prix üblichen Freizügigkeit leicht bekleideter ESC-Teilnehmer umgehen will, dazu sagten die Funktionäre des Landes nichts. Homosexuelle, stark vertreten in der Grand-Prix-Fangemeinde, haben in der Gesellschaft traditionell keinen Platz.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die Führung in Baku mit Willkürjustiz gegen Andersdenkende vorgeht. In den vergangenen Wochen hatten die Behörden zahlreiche Regierungsgegner festnehmen und verurteilen lassen. Aus Sicht etwa von Human Rights Watch befürchtet die Staatsführung Unruhen nach dem Vorbild der arabischen Welt — und ein Ende das Alijew-Regimes. Eine freie Medienberichterstattung gibt es nicht.