Der Weg in die Selbständigkeit

Sina (18) hat das Down-Syndrom. Ihr Leben meistert sie trotz der Behinderung immer besser.

Foto: Lebenshilfe

Krefeld. Sina ist vergnügt: Es war gut in der Schule, und am Abend findet eine Karnevalsparty statt. Zwischendurch möchte sie noch zur Eisdiele rollern. Ihre Unternehmungslust freut die Eltern sehr, denn Sina hat das Down-Syndrom und musste sich ihre Selbstständigkeit erst einmal schaffen.

Dass es ihr gelungen ist, zeigt die Erfahrung vom Vortag: „Gestern war der Bus kaputt“, sagt die 18-jährige. „Wir sind mit dem Zug gefahren.“ Gemeinsam haben die Schüler mit Förderbedarf es geschafft, die Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule an der Alten Flur zu erreichen. „Anna hat das gesagt“, berichtet Sina über ihre Schulfreundin, mit der sie immer zur Alten Flur fährt. Mit dem Fahrrad würde es schneller gehen. „Aber dafür müsste sie durch einen Tunnel fahren, in dem es sehr eng ist“, sagt Mutter Sabine Ritzrow. „Das ist noch zu gefährlich für unsere Tochter.“

In den ersten Schuljahren konnte Sina noch vom städtischen Fahrdienst profitieren, dann hat ihre Mutter sie ein Jahr lang chauffiert. Danach hat Sina gelernt, mit Straßenbahn und Bus in die Förderschule zu fahren. Dort besucht sie die Klasse 11 a. Auf ihrem Stundenplan stehen praktische Fächer wie Fahrradwerkstatt und Küche, Gartenarbeit und Textil. Ihre Lieblingsfächer: „Lesen, Schreiben, Rechnen“, sagt Sina.

Aber damit ist die lebenslustige junge Dame noch nicht ausgelastet. Sie ist Mitglied in einem Fußballverein — „neulich haben wir gewonnen“ —, besucht die Teestube, schwimmt im Wettbewerb — Platz 2 beim Schwimmfest —, spielt Blockflöte und Keyboard. Musik mag sie auch gerne in ihrem Zimmer hören — da wird es den toleranten Eltern manchmal zu laut. Mit sehr geübter Diskussionskultur kommen die drei dann zu einem Kompromiss, der alle zufrieden stellt.

Sina hat aber noch weitere Elemente in ihrer Freizeitgestaltung. Einmal in der Woche geht sie zum Roten Kreuz. „Sina mochte Krankenwagen und solche Dinge immer“, sagt ihre Mutter. Sie hat ihre Tochter in allen ihren Interessen unterstützt und gefördert. Dazu gehört auch, dass Sina selbstständig mit ihrem geliebten Hund Yoda einmal um den Block gehen kann. Das hat sie mit den Eltern geübt. Genau wie den Besuch der Mediothek. „Tu so, als sei ich nicht da“, hat ihre Mutter mit Sina besprochen. Ein paar Mal sind die beiden mit ordentlichem Abstand in der 042 oder 043 bis zur Rheinstraße gefahren. Und inzwischen traut Sabine Ritzrow ihrer Tochter auch zu, dass sie sich alleine in der Kinder- und Jugendbuchabteilung umsieht und sich was Schönes ausleiht.

„Vertrauen und Loslassen, das ist wichtig, das haben wir gelernt“, sagt die Mutter. „Sina kann jetzt alle Dinge selbstständig tun, die sie gerne machen möchte.“ Also hat sie sich für das Angebot des Reisekreisels der Lebenshilfe angemeldet. In den Osterferien geht es wie im Vorjahr auf einen Reiterhof, im Sommer fährt sie nach Holland, und auch zu Herbstunternehmungen ist sie schon angemeldet. Schulfreundin Anna ist dabei, und für die Eltern sind Sinas Aktivitäten willkommene Zeit, um mal die Beine hochzulegen und die Verantwortung für ein paar Stunden in andere Hände zu geben. Sinas nächstes Highlight: Sie wird eine Party in der Kufa besuchen.

Autorin Christina Schulte ist Sprecherin der Lebenshilfe