Die Heimat lag in Trümmern

Wilhelm Hüren kehrte kurz nach Kriegsende frisch vermählt nach Krefeld zurück. Er schildert, was er vorfand.

Krefeld. Er war 19, als er im April 1942 seine Einberufung zum Kriegsdienst erhielt. Seine Ausbildung zum Elektrikergesellen hatte Wilhelm Hüren gerade abgeschlossen. Gelernt hatte er bei der Firma Bergs und Wildermuth, damals an Ostwall/Ecke Jungfernweg. Über München und Bayreuth landete er in Berlin. Für die Luftwaffe wartete und reparierte er die Elektrik der Wehrmachtsflugzeuge.

1945 flüchtete seine Einheit in einer Junkers 52 („Tante Ju“) vor der heranrückenden Roten Armee nach Schleswig-Holstein. In Bargstall, einem Flecken zwischen Rendsburg und Heide, wartete der Obergefreite Hüren mit seinen Kameraden auf die alliierten Truppen. Während diese auf sich warten ließen, lernte der Krefelder die ein Jahr jüngere Irene kennen und lieben.

Trotz der Wirren nach der deutschen Kapitulation 1945 machten sie in Heide einen Standesbeamten und einen Pfarrer ausfindig, die die beiden trauten. Die Ringe waren aus Silber. Sie brachten beiden Glück. Denn die englischen Besatzer schickten nur die unverheirateten Soldaten ins Internierungslager. Wilhelm und Irene schlugen sich in überfüllten Bahnen in Richtung Rheinland durch.

Als sie in Krefeld ankamen, waren sie entsetzt über die zerstörte Stadt. Hüren: „Es war grauenhaft. Der Ostwall war nicht wiederzuerkennen. Schutt, Schrott, Zerstörung, wohin man auch schaute.“ Seine Eltern, die vor dem Krieg im Varieté Seidenfaden auf dem Ostwall beschäftigt waren und darüber auch wohnten, musste Hüren lange suchen. Der Seidenfaden (heute Dresdner Bank) war zerstört. Seine Mutter, so erfuhr er, kochte auf der Wilhelmshofallee für die englischen Offiziere. Sie fiel erstmal in Ohnmacht, als sie die silbernen Ringe bei Wilhelm und Irene sah.

Das junge Ehepaar fand eine kleine Dachgeschosswohnung an der Oberbruchstraße in Fischeln. Seine alte Firma nahm ihn mit Kusshand wieder auf. Beim Wiederaufbau wurde jede Hand gebraucht. Wilhelm Hüren stieg bei Bergs und Wildermuth zum Montageleiter auf. „Wir haben damals die elektrischen Anlagen in den Tunnelanlagen am Hauptbahnhof und an der Rheinstraße/Ostwall gebaut. Auch das Polizeipräsidium und der neue Krefelder Hof, der vom Ostwall/St. Anton-Straße an die Uerdinger Straße verlegt wurde, waren Auftraggeber.“

Am Ostwall, erinnert sich Hüren, gab es nur wenige Geschäfte. Hauptsächlich Anwälte und Ärzte hatten dort ihre Büros und Praxen. Der bekannte Maler und Graphiker Fritz Huhnen wohnte und arbeitete dort. An der Ecke Stephanstraße stand einst ein Hotel, Möbel Knuffmann war damals dort beheimatet, das Café Küppers an der Neuen Linner Staße war ein beliebter Treffpunkt. Wie auch die Grünanlagen am Ostwall mit dem Springbrunnen. „Heute geht da ja kaum noch einer durch.“

1968, das Ehepaar Hüren hatte inzwischen zwei Töchter (Ursula und Gabriele) und war über die Blumen- in die Schillerstraße gezogen, übernahm Wilhelm Hüren das Elektrounternehmen, in dem zeitweise bis zu 40 Angestellte arbeiteten. Fünf Jahre später zog die Firma zum Breiten Dyk 109. Tochter Ursula Hüren-Grünter, seit 1972 in der Firma tätig, übernahm mit ihrem Mann 1995 das Unternehmen.

1973 bezog die Familie ihr eigenes Haus am Lüstraetenweg in Verberg. Seit sieben Jahren wohnt das Ehepaar im Hanseanum am Hauptbahnhof. Die Töchter, die beiden Enkel und die fünf Urenkel sind oft zu Gast und feierten mit Wilhelm Hüren vor wenigen Tagen erst seinen 90. Geburtstag. Die silbernen Ringe bewahrt das Paar nach 68 Ehejahren immer noch sorgfältig auf.