Ein Richter legt die Robe ab
Er sprach das „Soldaten sind Mörder“-Urteil und entschied gut 25000 Fälle: Klaus Habersack beendet nach 33 Jahren seinen Dienst als Amtsrichter.
Krefeld. Ein kurzes Bollern, und schon öffnet sich die Tür im Zimmer 9A des Amtsgerichts. Ein Mann kommt herein, einen Stapel Papier in der Hand. "Ich wollt’ mal mit Ihnen über die Angelegenheit mit meinem Sohn sprechen." Klaus Habersack lächelt. Es ist keine Seltenheit, dass jemand mit dem Richter über ein Strafverfahren diskutieren möchte. Besser gesagt: Es versucht. Denn für den 64-Jährigen gehört das in den Gerichtssaal, nicht ins Büro. Dort sitzt er gerade an seinem Schreibtisch neben einem Aktenstapel für den nächsten Verhandlungstag. Es wird einer der letzten sein. Denn nächsten Monat geht der Jurist aus St. Tönis in den Ruhestand.
Dass mal ein Anwalt, ein Angeklagter oder - wie jetzt - ein Angehöriger bei ihm vorstellig wird oder anruft, kommt durchaus vor. Eine verbindliche Aussage zu einem Strafverfahren allerdings könne man dann nicht von ihm erwarten, betont Habersack: "Ich mache doch am Telefon keine Hauptverhandlung."
33 Dienstjahre in Robe und am Richtertisch - der 64-Jährige hat keine Minute davon bereut: "Es ist ein Traumberuf", sagt er über seine Arbeit. Schon als er Jura in Heidelberg und München studierte, war für den jungen Klaus Habersack der weitere Weg klar. "Rechtsanwalt, das war nichts für mich." Ihn reizte vor allem der sichere Job im öffentlichen Dienst. "Es gibt Anwälte, die am Existenzminimum rumkrebsen", sagt Habersack. Hinzu kommt: Auch im Wissen, dass ein Mandant schuldig ist, müsse ein Anwalt versuchen, ihn rauszuhauen, zumindest ein mildes Urteil herauszuholen. "Da habe ich als Richter doch die bessere Position."
Und die genießt er bis zur letzten Minute. "In all den Jahren hat mir niemand reingeredet oder versucht, Druck auf mich auszuüben", erzählt Habersack. Weder persönlich, noch über Vorgesetzte. Ein Einzelrichter wie er könne autark arbeiten, sich seine Arbeit einteilen. "Wo hat man das sonst im öffentlichen Dienst?" Seine Urteile werden allenfalls in der nächsten Instanz abgeändert, doch darüber ärgert er sich nicht. "Wenn ich ein Urteil spreche, bin ich auch überzeugt davon."
Doch selbst, wenn er sich seiner Sache sicher ist, hilft das nicht immer, weiß Habersack. "Manchmal ist mir klar: Der Angeklagte ist schuldig. Nur beweisen kann ich es nicht." Dann endet die Hauptverhandlung mit einem Freispruch. "Lieber Hundert zu Unrecht freigesprochen als nur einen zu Unrecht verurteilt", sagt der 64-Jährige und lächelt wieder.
Manches gehört nach Ansicht Habersacks schlichtweg nicht in den Gerichtssaal. Da denkt er an die Bußgeldsachen, für die er zuständig ist. "Etwa jemand, der ein Knöllchen bekommen hat, weil er keinen Parkschein im Auto hatte. Wegen fünf Euro wird dann Einspruch eingelegt." Manchmal werde das bis zum Oberlandesgericht durchgefochten, weil es den Leuten ums Prinzip gehe. "Dann frage ich mich, ob da nicht der Rechtsstaat überbelastet wird."
Wie viele Fälle er wohl in den 30 Jahren bearbeitet hat? Habersack presst bei dieser Frage Luft durch die Lippen - und fängt an zu rechnen. "Vielleicht 25000", meint er. Davon sind dem Juristen einige noch gut in Erinnerung. Etwa der des vorbestraften Rechtsanwalts. Nach einem Unfall machte er gegenüber der Versicherung eine wertvolle chinesische Vase geltend, die er im Auto gehabt haben wollte. Beim Unfall war von der vorher aber keine Rede. Das Ganze stellte sich als Versicherungsbetrug heraus. Eben dieser Verurteilte wird ihn in den letzten Diensttagen noch einmal beschäftigen: Da er Raten seiner Geldbuße nicht bezahlt haben soll, droht dem Mann nun eine Haftstrafe.