Türken in Krefeld: „Hartes Durchgreifen war nicht nötig“

Krefeld. „Ich mache mir große Sorgen um den weiteren Weg der Türkei“, sagt Mehmet Demir, bis vor wenigen Wochen Vorsitzender der Union der türkischen und islamischen Vereine in Krefeld.

Der 28 Jahre alte Student verfolgt intensiv die Nachrichten aus Istanbul und anderen Städten in deutschen und türkischen Medien. „Das ist das ganz große Thema bei allen Menschen in der Stadt, besonders bei denen, die türkische Wurzeln haben.“

Demir verurteilt das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte in den letzten Tagen. „Das harte Durchgreifen war nicht nötig. Für den Tränengas-Angriff auf das Hotel Diwan habe ich überhaupt kein Verständnis.“ Aber er stellt auch die Frage: „Waren denn die Polizei-Übergriffe am 1. Juni auf die Blockupy-Teilnehmer in Frankfurt/Main gerechtfertigt?“

Problematisch sieht es Demir, dass sich der ursprünglich ökologische Anspruch der Aktivisten auf dem Taksim-Platz in die politische Forderung nach einem Rücktritt der Regierung Erdogan radikalisiert habe. „Aus den ursprünglich einigen hundert Aktivisten sind Tausende, Zehntausende geworden, unter die sich viele radikale Elemente gemischt hätten.

Namentlich nennt Demir Mitglieder der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulu? Partisi-Cephesi), eine Untergrundorganisation, die von der EU und den USA als terroristisch eingestuft wird. Die Organisation ist auch in Deutschland aktiv. Laut Verfassungsschutz hat sie hier 650 Mitglieder. Auch Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP) seien im Gezi-Park mit dabei gewesen.

Der Regierung von Recep Tayyip Erdogan warf er vor, sie habe das Konfliktpotential anfangs unterschätzt und falsch reagiert. „Der Ministerpräsident musste erst wach gerüttelt werden. Er hat sich auf den Erfolgen seiner zehnjährigen Amtszeit ausgeruht und so die Realitäten aus den Augen verloren.“ Demir sah einen Grund dafür, dass die türkische AKP-Regierung sich kaum einer nennenswerten Opposition gegenüber sieht. „Das hat mit dazu geführt, sich viel zu sicher zu fühlen.“

Nunmehr werde an Erdogans Stuhl jedoch kräftig gerüttelt, stellt Mehmet Demir fest. „Und es gibt viele, auch in Krefeld, die sagen, dass das zur rechten Zeit geschieht.“ Derzeit kursierten schon die ersten Witze zum Thema. Kindern werde bei schlechtem Benehmen gedroht: „Wenn Du nicht artig bist, holen wir den Wasserwerfer.“