Krefelder Adventsserie „Was für ein schöner, frischer Ort inmitten des tosenden Wahnsinns“
Serie | Krefeld · Ein Besuch in der Autobahnkapelle an der Geismühle. Sie ist 1981 eingeweiht worden.
Wenn die Glastür geschlossen ist, wird es still in der kleinen Autobahnkapelle an der Geismühle. Nur noch dumpf dringt das Dauerrauschen von den nahen Fahrbahnen herein – im Moment zusätzlich gedämpft durch die Tatsache, dass auf der A57 gebaut wird und die Autos deshalb deutlich langsamer als üblich unterwegs sind.
Zwei schlichte Holzbänke zum Sitzen, zwei Leuchter mit frischen Kerzen, eine scheibenförmige Bronzeskulptur, die mit einer weiteren Kerze auf einem grau-weißen Steinsockel in der Mitte steht – das ist schon fast die gesamte Einrichtung des kleinen Raumes.
Für die Kerzen haben Rosemarie und Heinz Stirken aus Bösinghoven gesorgt, die sich seit Oktober ein wenig um das kleine Gotteshaus kümmern. „Unser Freund Hans Winter hatte uns angesprochen“, erzählt Rosemarie Stirken. Winter ist einer der Vorsitzenden des Bauvereins Mühlenspechte, der seine Vereinsräume in einem Holzpavillon in direkter Nachbarschaft zur Kapelle hat und auf das Kleinod ein waches Auge wirft. Über viele Jahre hat dies Willi Hanenberg gemacht, doch für den mittlerweile 92-Jährigen wurde diese Arbeit dann doch etwas zu viel.
Manche Besucher lassen eine
kleine Spende zurück
„Mit Vandalismus hatten wir nie große Probleme“, blickt Hanenberg zufrieden zurück. Im Gegenteil, manchmal hätten die Besucher sogar kleine Spenden hinterlassen, für die man dann neue Kerzen kaufen konnte. Er erinnert sich noch gut daran, dass der Blick aus dem bodentiefen Fenster an der Rückseite der von dem Krefelder Architekten Professor Hein Stappmann entworfenen Kapelle früher über die offenen Felder des Niederrheins ging. Heute blickt man auf die Bäume und Sträucher eines kleinen Wäldchens, das dort offenbar wild gewachsen ist.
Gleich vor dem Fenster befindet sich ein kleiner Teich, was die architektonische Idee zu unterstreichen scheint, einen Meditationsraum in natürlicher Landschaft zu schaffen. Das nach hinten abfallende Dach zwischen den Bäumen, die Dreiecksform des Innenraumes und das kleine Gewässer vor dem Fenster sollten das Gefühl der Geborgenheit unterstreichen. Seit 2008 steht der Ziegelbau, der nach dem Tod von Hein Stappmann durch seinen Krefelder Kollegen Ludwig Thorissen vollendet wurde, unter Denkmalschutz.
„Aus dem praktizierten katholischen Glauben heraus“, lautet die schlichte Antwort der Eheleute Stirken auf die Frage, warum sie sich nun ehrenamtlich um die Autobahnkapelle kümmern wollen. Es handelt sich um eine ökumenische Einrichtung, die offiziell zum evangelischen Gemeindeverband Krefeld gehört. Den Menschen, die sich in die schwarze Kladde eintragen, die links vom Eingang zusammen mit geistlicher Literatur auf einem Schreibpult liegt, ist die Konfession mutmaßlich egal. „Klassenfahrt nach Paris. Wir waren hier. Gott behüte uns“, lautet ein Eintrag vom 9. September. „Allen Bulli-Fahrern wünschen wir allzeit eine gute Fahrt“, ein weiterer. Erinnerungen an den verstorbenen Sohn, Liebesbekundungen, die Bitte um Frieden auf Erden oder ganz häufig nur ein schlichtes Danke sind auf den Seiten des schwarzen „Anliegenbuches“, wie es offiziell heißt, zu finden. Viele Einträge sind in fremden (mutmaßlich osteuropäischen) Sprachen verfasst.
„Was für ein schöner, frischer Ort inmitten des tosenden Wahnsinns vor der Tür“, hat Susanne am 28. Juni in die Kladde eingetragen. „Ich mag diese Kirche und finde auch die Mühle total toll“, hat Katharina am 22. August geschrieben. „Lieber Gott, eigentlich habe ich den Glauben aufgegeben...“, lautet der Anfang eines mehrseitigen Eintrags.
Hans Winter erzählt davon, dass immer zu Pfingsten am Mühlentag direkt vor der Kapelle ein ökumenischer Gottesdienst stattfindet. Und er erinnert sich daran, dass vor Monaten Flötentöne aus der Kapelle in Richtung Geismühle gedrungen seien: Ein musizierendes Pärchen aus Wuppertal hatte den Bau als Ort für seine Musik entdeckt. Dies alles bestätigt die Meinung von Heinz Stirken, der nachdrücklich betont: „Die Kapelle lebt!“
Kapelle und Mühle verschwinden hinter der Lärmschutzwand
Leider sind die Tage gezählt, an denen gläubige Brummifahrer oder Menschen auf dem Weg zu einem Geschäftstermin oder in den Urlaub an 24 Stunden am Tag das kleine Gotteshaus mit seinen 35 Quadratmetern nutzen können. Wenn nämlich der sechsspurige Ausbau der Autobahn abgeschlossen ist, werden sich die Kapelle und die Geismühle hinter einer neuen, hohen Lärmschutzwand befinden. Erste Elemente davon sind schon zu sehen. Von der Autobahn und der Tankstelle aus (die Raststätte selbst wird später abgerissen) wird man nach Fertigstellung beide Bauten nicht mehr erreichen können. „Es bleibt: eine Autobahnkapelle ohne Zugang von der Autobahn“, wie die WZ schon 2019 befürchtet hatte. Hans Winter betont immerhin, dass es eine mündliche Zusage der Stadt gebe, wonach es nach Abriss der Raststätte zumindest ein Zufahrt von der Hauptstraße aus geben wird.
Auf dem neuen Rastplatz auf der anderen Seite der A57 soll nach wie vor eine neue Kapelle entstehen. Dies hatte kürzlich nochmals ein Sprecher der Autobahn GmbH versicher.