Bundestagswahl 2017 Schulz will Merkel inhaltlich stellen — bislang ohne Erfolg
Berlin. Der Kandidat ist unermüdlich. Trotz nahezu gleichbleibend enttäuschender Umfragen. Seit Anfang August tourt Martin Schulz quer durch Deutschland, um die Menschen davon zu überzeugen, dass er besser Kanzler kann als Amtsinhaberin Angela Merkel von der CDU.
Insgesamt 60 große und kleinere Orte wird der SPD-Herausforderer dafür bis zum Wahltag am 24. September bereisen. Jeden Tag einen anderen, häufig auch zwei. Am Donnerstag war Schulz in Essen, am Freitag kommt er nach Frankfurt am Main. Anschließend geht es weiter nach Bochum, Magdeburg, Salzgitter und Leipzig.
Gewissermaßen „Querbeet“ mutet auch Schulz` Reise durch die politischen Themen an, von denen er sich öffentliche Beachtung erhofft. Aktuell wettert er gegen die Pkw-Maut. Meistens leuchten seine Vorstöße aber nur kurz am Nachrichtenhimmel auf, um gleich wieder zu verpuffen. So wie jüngst die Forderung nach einem Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland. Wohl die wenigsten Bürger dürften auf dem Schirm haben, dass es diese Relikte aus dem Kalten Krieg hierzulande überhaupt noch gibt. Die Aufregung hielt sich dann auch stark in Grenzen. Kein Vergleich jedenfalls zum Wahlkampf 2002, als Gerhard Schröder mit seinem kategorischen „Nein“ zu einer Beteiligung an einem möglichen Irak-Krieg für die SPD punkten konnte.
Bereits Ende Juli hatte Schulz versucht, mit Initiativen in der Flüchtlingspolitik politisch Boden gut zu machen. Er warnte vor einer neuen Flüchtlingskrise, forderte Solidarität mit Italien, reiste nach Rom und Sizilien und warf Merkel Untätigkeit vor. Dabei lag die Flüchtlingskrise in Deutschland inzwischen eher unter der Wahrnehmungsschwelle. Nur noch gut 90.000 Asylbewerber kamen im ersten Halbjahr ins Land, ein Bruchteil der Zahlen in der Zeit davor. Anfang August verlangte Schulz dann eine Umtauschprämie der Autohersteller und schaltete sich damit direkt in den Diesel-Skandal ein. Doch im Bewusstsein hängen geblieben ist die Forderung als eigene Idee von VW, Daimler & Co. Weitere Vorstöße des SPD-Herausforderers galten einem Kurswechsel in der Verteidigungspolitik, einer europäischen Quote für Elektroautos und einem Sanierungsprogramm für Schulen. Wirklich gezündet haben aber auch sie nicht. Mit dem eigentlich zentralen Motto der SPD-Wahlkampagne („Zeit für mehr Gerechtigkeit“) verhält es sich kaum anders. Bis auf das schon im März vorgestellte „Arbeitslosengeld Q“ und das im Juni präsentierte Rentenkonzept gab es vom Kandidaten dazu allerdings auch keine größeren Impulse mehr.
Anders als Schulz hat Merkel freilich keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung im Sinn. Die Amtsinhaberin drückt sich davor, wo sie nur kann, weshalb ihr Schulz auch schon Politikverweigerung vorgeworfen hat. Nach Einschätzung des Mainzer Politikwissenschaftlers Jürgen Falter ist diese Konstellation allerdings auch nicht verwunderlich. „Wofür Merkel steht, sieht man in ihrer Regierungspolitik. Sie muss nicht ständig neue Themen vorgeben“, sagt Falter. Ähnlich sieht es Forsa-Chef Manfred Güllner: „Mit Merkel verknüpfen die meisten Menschen wie schon 2013 auch jetzt wieder das Thema Sicherheit im weitesten Sinne“.
Die von Schulz initiierte Themenflut ist da zwar ein Kontrastprogramm, aber eben kein Standortvorteil. „Wer von Thema zu Thema springt, wird nicht ernst genommen, man gilt dann als unstet“, analysiert Falter. Und Güllner ergänzt: Die SPD müsse eine Klammer finden, worunter man einzelne Probleme packen könne „und woran man die Richtung erkennt“. Als gelungenes Beispiel nennt Güllner das SPD-Wahlkampfmotto von 1998. Es hieß „Innovation und Gerechtigkeit“. Damals fuhren die Sozialdemokraten am Ende 40,9 Prozent der Stimmen ein, was seinerzeit auch dem Verdruss über den Amtsinhaber Helmut Kohl geschuldet war. Für Merkel gilt das (noch) nicht. Und das ist sicher das größte Problem für Martin Schulz.