Historischer DEB-Triumph: „Macht mich so stolz“
Bratislava (dpa) - In der Stunde des historischen Erfolgs geraten auch mal Zahlen durcheinander. Als Deutschlands Eishockey-Kapitän Michael Wolf nach Worten für das 2:0 gegen Russland suchte und an die Pleiten der Vergangenheit erinnerte, unterschlug er doch glatt zehn Niederlagen.
In zahlreichen der 37 - nicht wie vom sichtlich perplexen Wolf vermutet nur 27 - WM-Spielen gegen die übermächtige „Sbornaja“ waren die Deutschen bislang gedemütigt und gelegentlich sogar zweistellig vom Eis gefegt worden. Doch dann folgte am Freitag Partie Nummer 38, in der die Torschützen Thomas Greilinger und Patrick Reimer sowie ein überragender Goalie Dennis Endras den jahrzehntelangen Bann brachen.
Franz Reindl hat viele der so bitteren WM-Spiele seit 1954 gegen die UdSSR und später Russland miterlebt. 1973 ein 2:18 in Moskau, 1977 ein 0:10 in Wien, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ausgerechnet in seinem letzten Turnier als Sportdirektor des Deutschen Eishockey- Bundes (DEB) erlebte der Bayer nun die Revanche. „Man kann sich nur bedanken“, sagte Reindl nach all den missglückten Anläufen, in denen „man dauernd auf die Mütze bekommen hat. Hut ab!“
Was Reindl am Erfolg, der der Truppe von Bundestrainer Uwe Krupp das Tor zur Zwischenrunde und damit dem Minimalziel Klassenverbleib weit öffnet, besonders freut: „Das war keine Abwehrschlacht mit viel Glück, sondern ein offener Schlagabtausch. Und das macht mich so stolz.“
Die Mannschaft, die im Gegensatz zu den Russen ohne NHL-Spieler antrat, habe dem Rekordweltmeister vor allem körperlich Paroli geboten, „vor nichts zurückgeschreckt“ sowie taktisch hervorragend verteidigt, erkannte Reindl und meinte: „Die Russen konnten die Nuss Deutschland nicht knacken.“ Angreifer André Rankel ergänzte: „Wenn die Russen kein Tor schießen, müssen wir schon einiges richtig gemacht haben.“
Das musste auch der konsternierte russische Trainer Wjatscheslaw Bykow eingestehen: „Das war eine Ohrfeige. Die Deutschen waren besser und haben verdient gewonnen.“ Vor allem ein DEB-Akteur trieb den knorrigen Coach und ehemaligen Star-Angreifer zur Verzweiflung: Torwart Endras, für Bykow nur der „Schrecken unserer Stürmer“.
Immer wieder Endras - der Augsburger knüpfte mit Zauberparaden an seine Leistung von der WM 2010 an. Auch historisch: Als erster deutscher Torhüter hielt der künftige NHL-Keeper den Kasten im 95. Länderspiel gegen eine russische Mannschaft sauber. Eine Kampfansage an die Konkurrenz, vor der sich das deutsche Team nicht mehr zu verstecken braucht. „Wir haben gegen Russland gespielt“, erinnerte Endras, „ich weiß nicht, ob es noch schwieriger geht.“
Aber der Bundestrainer warnt: Nach der Kür kommt die Pflicht. Die Zwischenrunde ist noch nicht erreicht. „Es ist erst ein Spiel gespielt, und das Turnier ist noch lang“, meinte Krupp. Am Sonntag (20.15 Uhr/Sport1) trifft die deutsche Mannschaft, in der turnusmäßig Dimitri Pätzold für Endras ins Tor rückt, auf den zu Beginn ebenfalls erfolgreichen Gastgeber Slowakei.
„Das ist eine erfahrene und technisch versierte Truppe“, betonte Krupp, der sich den Weltmeister von 2002 noch am Abend in der Halle in Bratislava angesehen hatte. Den Triumph gegen Russland hat er nach eigenen Angaben schnell abgehakt. „Mit Schlusspfiff war das Ganze beendet. Uns interessiert nur das Spiel gegen die Slowakei.“
Auch Kapitän Wolf sieht in der Slowakei einen starken Gegner. „Die sind mit Sicherheit nicht schlechter als die Russen.“ Trotz des Auftaktsieges forderte er: „Wir müssen auf dem Boden bleiben.“
Dabei ist die Botschaft aus dem Sieg gegen Russland beim Gegner angekommen. Der Slowaken-Trainer Glen Hanlon weiß, was auf die Hausherren zukommt. „Deutschland ist noch besser als im vergangenen Jahr“, lobte der ehemalige NHL-Coach, „und das trotz des Fehlens von Spielern wie Christian Ehrhoff.“ Von Favoriten und Außenseitern hält der Kanadier ohnehin nichts. „Wir wissen genau, was Deutschland kann - und derzeit kann sowieso jeder jeden schlagen.“