Sebastian Vollmer im Interview Ex-Footballprofi Vollmer: „Brady ist vom Sport und Sieg besessen“
Der Ex-Footballprofi Sebastian Vollmer stand mit den New England Patriots dreimal im Super Bowl der National Football League (NFL). Zweimal hat er ihn gewonnen, einmal verloren. Im Interview spricht Vollmer über das Finale an sich, die Halbzeitshow und seinen Ex-Teamkollegen Tom Brady.
Herr Vollmer, Sie haben einen Super Bowl verletzungsbedingt verpasst, zwei haben Sie gespielt. Ist man vor solch einem Ereignis aufgeregter als vor einem regulären Saisonspiel?
Vollmer: Ich bin eher ein ruhiger und gelassener Typ. Aber man merkt in der Umkleidekabine die generelle Anspannung. Es geht darum, die Gefühlslage, das Adrenalin und die Energie zu zügeln, bis das Spiel beginnt. Die zwei Wochen Vorbereitung auf den Super Bowl sind sehr lang. Wenn man die ganze Zeit hoch angespannt ist, kann es passieren, dass man beim Spiel platt ist.
Wie kann man das verhindern?
Ich habe mich vor dem Super Bowl so vorbereitet, wie vor jedem anderen Spiel auch. Das hat mir persönlich sehr geholfen. In den wenigen Minuten vor dem Spiel wird es dann aber doch kribbelig.
Ist das auch noch beim Einlauf ins Stadion?
Wenn ein Spieler das zum ersten Mal erlebt, ist es etwas ganz Besonderes. So war es zumindest bei mir. Die Patriots haben natürlich den Vorteil, dass mehr als die Hälfte des Teams schon im vergangenen Jahr dabei war. Viele hatten dieses Gefühl schon mal. Sie werden sich davon nicht ablenken lassen.
Ein emotionaler Moment vor dem Spiel ist auch die die Nationalhymne.
Ja, sie hat eine ganz besondere Wirkung, weil der Ablauf jedes Mal gleich ist. Wenn die Hymne kommt, weiß jeder Spieler, dass er drei Minuten später auf dem Platz steht. Sie signalisiert deinem Körper, dass es gleich losgeht. Das ist auch an der Seitenlinie zu sehen. Die Spieler hüpfen und klatschen. Das ist keine Nervosität, sondern Energie, die durch die Spieler fließt.
Vor dem Super Bowl ist die Halbzeitshow immer ein großes Thema. Was bekommen die Spieler davon mit?
Bei den Spielern ist das überhaupt kein Thema. Bei meinem letzten Super Bowl hat mich jemand gefragt, wie ich den Auftritt von Katy Perry fand. Ich wusste überhaupt nicht, dass sie gesungen hat. Im Vorfeld ist das an mir vorbeigegangen.
Und was bekommen die Spieler in der Pause mit?
Nichts. In der Halbzeit war ich mit mir selbst, den Trainern und der Videoanalyse beschäftigt. Für uns Spieler ist die Halbzeitshow eher störend, weil die Pause auf einmal länger, als eine halbe Stunde dauert. Während der regulären Saison dauert sie nur etwa zwölf Minuten. Man versucht dann, sich in der Umkleide warm zu halten und läuft auf der Stelle.
Wie gehen die Spieler mit dieser Situation um?
Das muss man trainieren. Der Körper eines professionellen Footballspielers weiß, wenn die erste Halbzeit abgepfiffen wird. Dann läuft man in die Kabine und erledigt persönliche Dinge. Nach einer Besprechung geht es wieder raus auf den Rasen. Man hat noch nicht aufgehört zu schwitzen und ist immer noch warm. Auf einmal hat man 30 bis 40 Minuten Pause, kühlt aus und wird steif. Man kann sich nicht bewegen. Wenn man nicht trainiert, seinen inneren Motor noch einmal neu zu starten, um in der zweiten Halbzeit wieder angreifen zu können, ist es sehr schwierig.
Vor vier Jahren haben Sie in der zweiten Halbzeit mit den Patriots eine Aufholjagd gestartet und das Spiel noch gewonnen. Was läuft in den ersten Minuten nach dem Sieg ab?
Auf einmal fällt das Konfetti herunter, man läuft planlos auf dem Feld herum, umarmt sich, feiert und ist einfach überglücklich. Es ist irgendwie eine halbe Stunde voller Genugtuung. Alle Verletzungen und alle Einbußen haben sich gelohnt. Man hat es geschafft und ist am Höhepunkt seiner sportlichen Karriere angekommen.
Und wenn man als Verlierer vom Feld geht?
Das ist ein ganz mieses Gefühl. Wenn du gewinnst, ist es das höchste Hoch, wenn du verlierst, das tiefste Tief. Ich stand 2011 auf dem Platz, und eine Hail Mary (langer Pass mit geringer Chance auf Erfolg) flog zu Rob Gronkwoski. Er hat sie nicht gefangen. Da war das Spiel zu Ende, das Konfetti kommt herunter und du siehst, wie sich die gegnerischen Spieler in den Armen liegen. Es ist ein Tiefschlag.
Kleinigkeiten entscheiden über Sieg oder Niederlage.
Richtig. Alle Super Bowls der Patriots wurden mit weniger als sechs Punkten Unterschied entschieden. Und so soll es in einem Endspiel ja auch sein. Es sind auf dem Papier die zwei besten Teams, die aufeinandertreffen. Es ist schön, wenn es ein gutes, knappes Spiel ist.
Was ist der Reiz am diesjährigen Super Bowl zwischen den Patriots und den L.A. Rams?
Für mich ist es die alte Garde mit Tom Brady als alter Quarterback und Bill Belichick als alter Trainer. Sie stehen zum neunten Mal im Super Bowl. Sie spielen gegen eine neue aufstrebende Garde. Jared Goff, der Quarterback der Rams ist 24, Headcoach Sean McVay ist 33 Jahre alt. Sie spielen ein anderes System, haben Spaß beim Spiel. Spannend ist, ob sie die Dynastie ablösen können. Immerhin geht es mit Brady gegen den erfolgreichsten Quarterback aller Zeiten, der alles daran setzt, zu gewinnen.
Brady kann zum sechsten Mal den Super Bowl gewinnen. Was ist sein Erfolgsrezept?
Er ist jemand, der sich extrem gut vorbereitet. Er ist schon vier oder fünf Stunden im Stadion, um sich vorzubereiten. Er ist ein Mensch, der vom Sport und Sieg besessen ist. Er verlangt das beste von sich, aber auch von seinen Mitspielern. Er ist ein wahrer Anführer der Mannschaft.
Wie wirkt sich das auf dem Feld aus?
Er ist wie ein Extra-Trainer auf dem Platz und ist extrem spielintelligent. Man hat als Mitspieler eine innere Ruhe, wenn er den Ball hat. Er ist prädestiniert für die spannenden Momente. Dafür lebt er. Das macht große Sportler aus, in den größten Momenten die größte Leistung zu zeigen. Das zeigt er schon über zwei Jahrzehnte, was bewundernswert ist.