Fußball 120 Jahre BSC Union Solingen: Bis zum bitteren Ende
Union Solingen - eine Abstiegsgeschichte zum Jubiläum. Anlass zur Ekstase gibt das nicht — der einstige Zweitligist spielt heute in der Kreisliga A, achte Liga. Ein Drama in vielen Akten.
Solingen. Man hatte es in den letzten Jahrzehnten nicht immer leicht in Ohligs, dem westlichsten Stadtteil Solingens. Seit Union Solingen 1989 aus der zweiten Bundesliga abgestiegen ist, ging es mit dem Verein stetig bergab. Insolvenz folgte auf Insolvenz — sportlich gab es nur wenige Zwischenhochs. Doch selbst die größten Pessimisten — und davon gibt es in der Klingenstadt nicht wenige — hätten wohl nicht gedacht, die Union einmal in der Kreisliga A wiederzufinden. Da, wo man in der 120-jährigen Vereinsgeschichte nie war und nie hinwollte. Es ist die achte Liga.
Wenig erinnert im Stadion am Hermann-Löns-Weg an die glorreichen 14 Jahre, die der Verein von 1975 bis 1989 in der zweiten Bundesliga gespielt hat. Wo früher die Gästefans standen, wachsen heute Sträucher. Dort, wo Werner Lenz auf Torejagd gegangen ist, grasen inzwischen Schafe. Seit Jahren soll das Stadion für eine Neubausiedlung weichen. Die Stadt braucht die Einnahmen für die klammen Kassen. Bis es soweit ist, nutzt eine Schäferin die Gunst der Stunde und lässt ihre Herde über den Platz ziehen. Über ihnen wachen die 32 Meter hohen Flutlichtmasten und mahnen: Seht her, was passiert, wenn man sich nicht um den Verein kümmert.
Dass hier in einem Meisterschaftsspiel der Ball rollte, ist mehr als sieben Jahre her. Damals war in der fünftklassigen Niederrheinliga der KFC Uerdingen Gast. Dass ausgerechnet der ehemalige Bundesliga-Torschützenkönig Ailton eines der letzten Tore am „HLW“ erzielte, wirkt fast ironisch — beide hatten schon bessere Tage.
Heute müsse man in Ohligs nicht mehr über Fußball reden, sagt der ehemalige Erfolgstrainer Horst Franz. Er muss es wissen: Von 1977 bis 1980 stand er als Trainer an der Seitenlinie, ehe er in die erste Liga zu Arminia Bielefeld wechselte und zum „Retter von der Alm“ avancierte. In 133 Spielen hat er in Teilen miterlebt, was später zur Vereinsidentität geworden ist und von den Fans besungen wurde: „14 Jahre zweite Liga — ein großer Erfolg. Ja wir sind aus gutem Holz.“
Für Peter Ziskoven ist Horst Franz ein Held. Seit 1964 ist Ziskoven Union-Fan. In seinem Keller lagern 1200 Ausgaben der Stadionzeitschrift „Union Echo“ und mehr als 62 000 Fotos. Seinen Union-Höhepunkt erlebte er bereits einige Jahre vor Franz’ Engagement und dem Zweitligaaufstieg. „18. Mai 1969“, erinnert er sich, „Union Ohligs besiegt die Spielvereinigung Gräfrath und steigt in die höchste Amateurklasse auf. 12 000 Zuschauer waren da — die saßen sogar in den Bäumen.“
Es sollte nicht das letzte Spiel gewesen sein, bei dem die Zuschauer in den Bäumen saßen. In Erinnerung geblieben sind die Duelle mit Schalke, Borussia Dortmund oder das 1:2 im Pokal-Viertelfinalspiel gegen Borussia Mönchengladbach, bei dem bis zu 20 000 Zuschauer gewesen sein sollen. Saß niemand in den Bäumen, war das Spiel nicht wichtig.
Sportlich konnte man sich in der Liga behaupten. Unter Trainer Eckhard Krautzun kratzen die Blau-Gelben 1984 als Fünfter am Aufstieg. Fünf Jahre später dann der Abstieg und die erste Insolvenz. Horst Franz erinnert sich: „Finanzielle Probleme gehörten immer dazu. Schon 1980, als ich Trainer war, musste ich die Spieler überreden, auf Teile ihres Gehalts zu verzichten.“
In der Folge spielte sich das Geschehen irgendwo zwischen Ober- und Landesliga ab. Einzige Konstante: die finanziellen Schwierigkeiten. 1998 und 2007 die nächsten Insolvenzverfahren. Zwei Jahre später schaffte man beinahe den Sprung in die NRW-Liga. Doch die Vereinsführung installierte Ex-Profi Thomas Brdaric und überwarf sich mit Erfolgstrainer Frank Zilles. Der Traum vom sicher geglaubten Aufstieg platzte.
„Es war nicht ein Fehler, der in die Kreisliga A geführt hat — es waren viele. Man hatte nie Geld, aber immer so getan als ob. Die Union hat sich selbst zerstört“, zieht Horst Franz eine düstere Bilanz. „Es gab zu viele Leute, die sich an dem Verein bereichern wollten“, pflichtet ihm Ziskoven bei.
Deshalb kümmert sich Ziskoven nun selber um seine Union, oder das, was davon übrig geblieben ist. Er sitzt im erweiterten Vorstand des BSC Union Solingen — einer der beiden Nachfolgervereine, die sich nach der letzten Insolvenz 2010 gründeten. Die Namensrechte der Union gingen an den ehemaligen BSC Aufderhöhe — einige Ohligser schlossen sich dem Verein an. Eine andere Gruppe gründete den Ohligser Fußballclub (OFC). Nun gibt es zwei Vereine in Solingens Westen — beide spielen in der Kreisliga A. Ziskoven wünscht sich eine Fusion — der 2. Vorsitzende des OFCs Michael Breuer winkt ab: „Solange die finanziellen Rahmenbedingungen nicht geklärt sind, werden wir dem nicht zustimmen.“ In Ohligs nichts Neues.
Einige Zeit gab es einen Konflikt zwischen den Vereinen, wer denn der legitime Nachfolger der Union sei. Für Breuer stellt sich diese Frage nicht: „Wir sind es beide ein bisschen — aber mit dem großen Klub von damals hat das nicht mehr viel zu tun.“ Wenn das Stadion abgerissen ist, sagt er, sei der Verein endgültig Geschichte.
Beide Klubs wollen in Zukunft vor allem Wert auf schwarze Zahlen legen. Das sei die Grundlage für eine Zukunft außerhalb der Kreisliga A. Es wäre an der Zeit.
Seit letzter Saison enden die Facebook-Beiträge des BSC Union mit „Bis zum bitteren Ende.“ Die Frage ist, ob man da nicht längst angekommen ist.