Michael Frontzeck wird 60 Jahre alt „Plötzlich lag Post vom DFB im Briefkasten“

MÖNCHENGLADBACH · Mehr als 200 Bundesligaspiele für Borussia Mönchengladbach, deutscher Meister 1992 mit dem VfB Stuttgart, eine Saison bei Manchester City – lange bevor das große Geld dort einzog. Michael Frontzeck feiert am 26. März seinen 60. Geburtstag.

Der Gladbacher Michael Frontzeck war deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und bei der Borussia Spieler und später auch Trainer.

Foto: Axel Heimken

Heute wie früher hat es bei der deutschen Nationalmannschaft immer wieder Umbrüche und wichtige Weichenstellungen für die Zukunft gegeben. Der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann ist noch mittendrin und tüftelt an einer Strategie, um im EM-Jahr 2024 die exquisite Mischung aus Etablierten und Herausforderern zu finden. Als vor 40 Jahren nach der verkorksten Europameisterschaft in Frankreich Franz Beckenbauer die Verantwortung im Nationalteam übernahm, setzte er bei seiner Premiere als Teamchef unter anderem auch auf einen jungen Fußballer von Borussia Mönchengladbach: Michael Frontzeck.

„Ich habe Heynckes bewundert. Er war mein großer Förderer“

„Ich kann mich noch gut erinnern. Plötzlich lag Post im Briefkasten. Post vom DFB. Ich war perplex, aber nominiert. Wahnsinn, und dann stand ich sogar in der Anfangs-Elf“, erinnert sich Frontzeck, „es war ein schwieriges Spiel gegen einen großen Gegner.“ Mit gerade mal 20 Jahren trug der Gladbacher erstmals das Trikot mit dem Bundesadler. 1992 wurde er unter Berti Vogts als Coach Vize-Europameister. Am kommenden Dienstag wird Michael Frontzeck 60 Jahre alt. Dass er vom neuen Teamchef und späteren Weltmeister (1990) berufen wurde, hing wohl auch ein wenig mit dem Trainer der Borussia, Jupp Heynckes, zusammen und dessen guten Draht zu Beckenbauer, der sogar auf einen „Gladbach-Block“ setzte. Denn in der besagten Partie gegen Argentinien, das der deutschen Mannschaft beim 3:1-Sieg eine Lehrstunde erteilte, standen zu Beginn auch Hans Günter Bruns sowie Frank Mill. „Jupp hatte sicherlich ein gutes Verhältnis zu Beckenbauer“, sagt Frontzeck beim Blick zurück, „allerdings war ich auch nicht ganz unbeteiligt, um es mal charmant zu umschreiben. Ich habe in meiner ersten Saison als junger Profi schon recht gut gekickt und als offensiver linker Verteidiger fünf Tore erzielt. Außerdem standen wir, die Borussia, im Blickpunkt, wären 1984 nach einem dramatischen Bundesliga-Finale beinahe Meister geworden.“ Zudem war der Pokalsieg gegen den FC Bayern wenig später greifbar nahe.

19 Jahre war der Gladbacher Fußballer, als sich sein Traum erfüllte – von der SpVg. Oden-kirchen 05/07 ging es schnurstracks ein paar Kilometer weiter zu den Fohlen am Bökelberg. Bei Borussia Mönchengladbach unterschrieb Frontzeck seinen ersten Profivertrag, und was konnte ihm Besseres passieren, als unter die Fittiche von keinem Geringeren als Jupp Heynckes genommen zu werden. „Das Vertrauen war vom ersten Tag da. Ich habe Jupp Heynckes bewundert. Er war mein großer Förderer, bis heute habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Es ist etwas Besonderes.“ Unter Heynckes bestritt der Sohn des kürzlich verstorbenen ehemaligen Borussia-Vertragsspielers und Pokalsiegers von 1960, Friedhelm Frontzeck, 190 Bundesligaspiele (17 Treffer) für die Fohlen-Elf. 1987 verließ Heynckes die niederrheinische Borussia und startete beim FC Bayern durch, Michael Frontzeck wiederum wechselte zwei Jahre später zum VfB Stuttgart. „Gladbach war eine super Zeit, aber auch der Wechsel nach Stuttgart hat mir gutgetan und mich weitergebracht.“ Dort wurde Frontzeck nicht nur mit einem anderen Trainertyp konfrontiert, sondern 1992 unter Christoph Daum als Coach deutscher Meister. Es sollte der einzige Titel bleiben für den Mönchengladbacher Frontzeck, der mit dem extrovertierten Daum gut klarkam. In jener nach der Wende ersten gesamtdeutschen Meistersaison mit 20 Teams legte Frontzeck eine makellose Bilanz hin, absolvierte sämtliche 38 Ligaspiele bei fünf Toren und neun Vorlagen. „Es war sicherlich auch mutig, von Gladbach wegzugehen. Ein Abnabelungsprozess, den wir, meine Frau Annette und ich, gut vollzogen haben.“

„Im Windschatten von Meyer zu agieren, war eine gute Schule“

Als Trainer ging das turbulente Leben für Michael Frontzeck weiter. Mal rauf, mal runter, als Cheftrainer oder Assistent: bei Borussia Mönchengladbach, Hannover 96, Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld, bei St. Pauli, dem 1. FC Kaiserslautern und VfL Wolfsburg. „Zunächst im Windschatten von Hans Meyer in Gladbach zu agieren, war eine gute Schule.“ Als Frontzeck 2009 eben jenen kernigen, eigenwilligen Fußball-Lehrer selbst beerbte und seinen Dienst als Cheftrainer im Borussia-Park antrat, standen die Vorzeichen eigentlich gar nicht so schlecht: Marco Reus war da, ein Offensiv-Talent von hohen Graden. Das deutete er schon im ersten Testspiel beim FC Wegberg an, als die Fans auf der Tribüne des Beecker Waldstadions vom Spielverständnis und Tempo des jungen Reus entzückt waren. „Ein wunderbarer Fußballer, der auch das Spiel zwischen den Linien durchschaute und defensiv in seiner Ahlener Zeit eine gewisse Reife entwickelt hatte“, sagt Frontzeck. Fortan ließ er den geborenen Dortmunder fast regelmäßig spielen.

Nach Platz zwölf (39 Punkte) in der ersten Saison geriet die Spielzeit darauf schnell ins Stocken. Eine Verletzungsmisere machte den Gladbachern zu schaffen, am 22. Spieltag, nach den Niederlagen gegen Stuttgart und in St. Pauli sowie dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz kam das Aus für Frontzeck. Zur Verunsicherung trugen seiner Zeit auch die Torhüter Christofer Heimeroth und Logan Bailly bei. Damit hatte auch Frontzeck-Nachfolger Lucien Favre anfangs seine Probleme: Logan Bailly oder Christofer Heimeroth? Bis Favre sich gerade noch rechtzeitig für die Kehrtwende entschied, auf den jungen Marc-André ter Stegen setzte. Dieser hielt beim 5:1-Sieg gegen Köln im April 2011 in seinem ersten Bundesligaspiel famos. Die Weichen für den späten Klassenerhalt nach den Relegationsspielen gegen den VfL Bochum waren gestellt.

15 Jahre später will Borussia Mönchengladbach auf der Zielgeraden der Saison eine solche Diskussion erst gar nicht aufkommen lassen. „Es wird immer schwerer, immer komplizierter in der Liga“, sagt Michael Frontzeck, „der Umbruch im Borussia-Park braucht Zeit, und die müssen sich alle geben. Grundsätzlich hat sich der Verein super entwickelt. Das macht mir Hoffnung, auch was die kommende Spielzeit angeht und die Zukunft schlechthin.“ Ja, und vielleicht macht ja bald wieder ein junger Spieler von der Fohlen-Elf auf sich aufmerksam und schafft, wie Michael Frontzeck vor 40 Jahren, den Sprung nach oben in die Nationalmannschaft.