Fußball-Bundesliga Nächster Charaktertest: Ist Gladbach diesmal „bereit“?
MÖNCHENGLADBACH · Beim Hinspiel in Köln ließen die „Fohlen“ die Einstellung vermissen, auch in Mainz fehlte es zunächst an Grundtugenden. Ist das tatsächlich ein grundlegendes Problem?
„Wir haben eine schreckliche erste Halbzeit gespielt. Das war in allen Belangen zu wenig von uns.“ Sätze, die Julian Weigl nicht am vergangenen Samstag nach dem 1:1 beim FSV Mainz 05 sagte. Nein, der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach hatte sie am 22. Oktober des vergangenen Jahres ausgesprochen. Damals verlor die Mannschaft von Trainer Gerardo Seoane das Derby beim 1. FC Köln mit 1:3. Vom Anpfiff weg waren die Gladbacher unterlegen. Weil sie an erster Stelle die Grundtugenden vermissen ließ. Einstellung, Bereitschaft, Biss und Leidenschaft.
Am Samstag kommt es zum Rückspiel und die Fans erwarten nichts anderes als eine gelungene Revanche. Dafür aber muss nicht nur die fußballerische Qualität auf den Rasen gebracht werden, sondern auch die mentale Verfassung stimmen. Der Auftritt von Mainz sollte diesbezüglich als allerletzter Wachrüttler dienen. Wie in Köln so fehlte es auch in Rheinhessen an besagten Basis-Elementen. Die Folge waren in der ersten Halbzeit 2:14 Torschüsse. Dass es zur Pause nur 0:1 stand, war das einzig Positive und allein dem Mainzer Chancenwucher zu verdanken. „Die erste Hälfte ist in dieser Art nicht zu akzeptieren, wir haben uns dem Geschehen hingegeben und dem Gegner die Wiese überlassen. Das geht so nicht“, sagte Sportdirektor Nils Schmadtke.
Dass es nach dem Seitenwechsel eine komplett andere Partie wurde, schrieben die Protagonisten der Umstellung von Viererkette auf Dreier-Abwehr zu. „Das hat uns sehr gutgetan. Wir sind zuvor mit dem gegnerischen Positionsspiel nicht klar gekommen, Mann gegen Mann ging das besser. Wir haben mehr Zweikämpfe gewonnen und den Ball öfter erobert“, meinte Innenverteidiger Nico Elvedi.
Die Einstellung war in Mainz entscheidender Faktor
Natürlich wurde Mainz durch die Umstellung beim Gegner vor eine andere Aufgabe gestellt – viel entscheidender aber war, dass plötzlich überhaupt ein Gegner auf dem Platz stand. Denn eine Viererkette mit so erfahrenen Akteuren wie Stefan Lainer, Ko Itakura, Nico Elvedi und Maximilian Wöber sollte das simpelste aller Abwehr-Systeme schon beherrschen. Zumal drei dieser vier Profis bereits unter Daniel Farke in der Viererkette standen. Überdies wurde das System in Mainz auch nicht komplett geändert, sondern lediglich asymmetrisch modifiziert, da Rechtsaußen Franck Honorat von Trainer Seoane angewiesen wurde, etwas weiter vorne zu pressen.
Dass Seoane zudem in Köln zur Pause von Dreier-Abwehr auf Viererkette exakt andersherum umgestellt hat und es dadurch auch besser lief, ist ein weiteres Indiz für eine offenbar oft lässige Herangehensweise der Spieler. Der Trainer räumte in Mainz auf Nachfrage unserer Zeitung dann auch ein, dass es in der Kabine lauter geworden sei. „Ich habe versucht, die richtigen Töne zu treffen und mit allen Mitteln einzuwirken. Dies betraf einerseits den taktischen Teil des Systems, beinhaltete andererseits aber auch den Appell an grundlegende Dinge wie Körpersprache und Zweikampfhärte“, sagte der 45-Jährige.
„Was in der Kabine geschieht, bleibt intern. Aber es mussten Dinge angesprochen werden. Wir waren nicht bereit genug“, erklärte auch Elvedi. Dass so etwas in einer Saison mal vorkommen kann, ist menschlich. Bei der Borussia jedoch passiert dies zu häufig und besonders gegen Gegner aus dem Souterrain der Tabelle. Fünfmal trat Gladbach in dieser Saison gegen ein „Schlusslicht“ an, kein einziges dieser Spiele wurde gewonnen (in Darmstadt 3:3 nach einem 0:3 zur Pause, gegen Mainz 2:2, in Köln 1:3, bei Union Berlin 1:3 sowie gegen Darmstadt 0:0).
In der unteren Tabellenhälfte besitzt die Borussia den besten Kader, dennoch wurden gegen Darmstadt und Mainz jeweils vier Punkte liegen gelassen sowie die Spiele in Köln und beim bis dahin 16-mal in Serie sieglosen 1. FC Union verloren. Noch nie in ihrer 56-jährigen Bundesliga-Historie hat Gladbach gegen die letzten drei einer Tabelle derart schlecht gepunktet wie in dieser Saison. Zudem scheint nach Erfolgen sehr schnell der Schlendrian Einzug zu halten. Seit dem 18. März 2022 haben die „Fohlen“ es nicht mehr geschafft, zwei Spiele in Folge zu gewinnen, vor fast genau zwei Jahren gab es unter Adi Hütter nach einem 2:0 gegen Hertha BSC ein 2:0 in Bochum.
Nun also wartet das Derby gegen den „Effzeh“. Ein Gegner, der wie Mainz mit dem Rücken an der Wand steht. „Alle haben im Hinterkopf, was im Hinspiel passiert ist. Wir werden eine Mannschaft erleben, die brennt“, erklärte Nils Schmadtke und Nico Elvedi meinte: „Wir müssen von Beginn an da sein. So etwas wie in Mainz darf nicht wieder passieren.“
Der Trainer fordert Energie, Aggressivität, Körpersprache. Es geht nicht nur darum, mit einem Sieg den Mönchengladbacher Fans Freude zu bereiten und dem Klassenerhalt einen großen Schritt näher zu kommen. Der wäre bei anderen als den oben genannten Ergebnissen übrigens schon längst sicher. Nein, dieses Derby wird ein Charaktertest.