Baumjohanns Traumtor
Das „ewige Talent“ setzt beim 3:2 der Borussia gegen Bremen den Glanzpunkt.
Mönchengladbach. Die Fußball-Bundesliga ist ein schnelllebiges Geschäft, ein "Haifischbecken", das Woche für Woche Verlierer oder Gewinner in den Fokus der Öffentlichkeit spült. So auch am Samstag im Borussia-Park, wo sich Knall auf Fall ein gewisser Alexander Baumjohann in die Herzen der Gladbacher Fans spielte.
Der 21 Jahre alte Mittelfeldspieler zeigte neben Gal Alberman beim 3:2 (2:0)-Erfolg der "Fohlen" gegen den Vize-Meister Werder Bremen eine dermaßen beeindruckende Vorstellung, dass selbst der neutrale Beobachter auf der Tribüne mit der Zunge schnalzen musste.
In der 71. Spielminute, als der frühere Schalker in seinem ersten Bundesliga-Spiel von Beginn an zu einem 70-Meter-Solo ansetzte, gefühlte 20 Bremer austanzte und den Ball an Torhüter Wiese vorbei zum vorentscheidenden 3:0 versenkte.
"Ich habe den Ball in der eigenen Hälfte erobert und gesehen, dass viel Platz da war. Dann bis ich losgerannt, habe Gegenspieler umdribbelt und den Ball reingeschossen", schilderte Baumjohann sein "Coming-out" als Spielmacher und Vollstrecker.
Ausgerechnet Baumjohann. Dem ehemaligen Schalker hatte Sportdirektor Christian Ziege noch vor wenigen Monaten nahe gelegt, sich nach einem neuen Verein umzusehen. In der Aufstiegssaison in Liga zwei kam der gebürtige Waltroper nicht mal über einen einzigen Kurzeinsatz hinaus. Selbst bei den Amateuren machte das "ewige Talent" meist nur durch sein aufreizend lasches Gekicke von sich reden.
Dabei hatte ihm sein Ex-Trainer und Mentor Jupp Henyckes ein "enormes Talent" bescheinigt. Doch seit der Vorbereitung auf die neue Spielzeit hat sich Baumjohann verändert - nicht nur äußerlich. Die langen Haare sind ab, die Effektivität ist gewachsen. "Alexander ist ein Stück erwachsener geworden", sagt Gladbachs Trainer Jos Luhukay.
"Er hat begriffen, dass zu einem Profifußballer mehr gehört als nur Talent", betont der Niederländer, der das verkannte Genie nie hat fallen lassen. "Der Trainer hat oft mit mir geredet", sagt Baumjohann, der gegen Bremen nicht nur in der Offensive glänzte, sondern auch im Defensiverhalten bislang verborgene kämpferische Qualitäten offenbarte.
In der 53. Minute kratzte der 21-Jährige einen Kopfball von Bremens Pizzaro von der Linie und verhinderte so den Bremer Anschlusstreffer. "Wer weiß, wie das Spiel dann gelaufen wäre", so Luhukay, der trotz des berauschenden Erfolgs gegen das Champions-League-Ensemble von der Weser das Geschehen wie gewohnt nüchtern analysierte. "Ich bin froh, dass wir den ersten Sieg eingefahren haben, jetzt dürfen wir aber nicht abheben." Was das anbelangt, braucht sich der Fußballlehrer beim gereiften Baumjohann wohl keine Sorgen mehr zu machen.
Eine Hälfte von Kopf bis Fuß überlegen, sich beim zwischenzeitlichen 3:0 wie im siebten Himmel fühlend, am Ende dann heilfroh, das verdiente 3:2 gegen Werder ins Ziel gerettet zu haben - das zweite Heimspiel von Borussia Mönchengladbach gegen den Bundesliga-Edelklub von der Weser war in seiner ganzen Intensität von außergewöhnlicher Klasse.
Nicht nur Patrick Paauwe, einer von vielen GladbacherNeuankömmlingen im Fußball-Oberhaus, fühlte sich nach dem Spiel völligleer, aber glücklich und um eine Erfahrung reicher. Es geht in dieserLiga nur mit Leidenschaft und Willensstärke.
Um die Offensivkraft der Hanseaten zu entschärfen und denVizemeister niederzuringen, bedienten sich Gladbacher dann auch mitErfolg dieser Tugenden und schlugen den Gegner mit deren eigenenWaffen. Umso erstaunlicher ist, dass ausgerechnet einer, der solcheFähigkeiten auf dem harten Zweitligaweg beispielhaft vorexerziert, javerkörpert hat, beim Unternehmen "oben ankommen" keine Rolle spielte:
Routinier Sascha Rösler ist zum prominenten Opfer des neuenLuhukay’schen Systems geworden. Ob die Veränderungen im Team nur eineMomentaufnahme sind und Baumjohann Feuer und Spielwitz konservierenkann, werden die kommenden Wochen zeigen.