Fußball-Bundesliga Aufgalopp der Fohlen vor 300 maskierten Fans
Mönchengladbach · Fußball-Bundesligist Borussia Mönchengladbach hat mit dem ersten öffentlichen Training die Saison eröffnet. Thuram und Zakaria noch nicht dabei.
Die Sonne lacht vom Himmel, die Temperaturen sind angenehm, Trainer und Spieler gut gelaunt, und am Rande des Platzes klatschen die Zuschauer zur Begrüßung Beifall. Es ist kurz vor Elf. Endlich wieder Training, endlich wieder den Ball am Fuß. Nach 90 intensiven Minuten auf herrlichem Grün geht es zurück in die Kabine. Lars Stindl ist froh, dass der Anfang gemacht ist. „Endlich rollt der Ball wieder“, sagt Gladbachs Kapitän später im Interview, „und das Schöne. Es sind wieder Fans dabei, und das fühlt sich richtig gut an.“
Training mit Zuschauern, nanu? Gladbach macht es möglich: Medienvertreter und Zuschauer waren beim ersten Aufgalopp von Fußball-Bundesligist Borussia Mönchengladbach am Dienstag Vormittag im Borussia-Park zugelassen und aufmerksame Beobachter des ersten öffentlichen Trainings seit fünf Monaten. „Das macht Hoffnung für die Zukunft“, äußert sich Cheftrainer Marco Rose zuversichtlich, „vielleicht ist es demnächst möglich, mit einem guten Konzept und den jüngsten Erfahrungen die Stadien teilweise wieder voll zu kriegen.“ Mitte März hatte das neuartige Corona-Virus den Fußballbetrieb abrupt lahmgelegt. Dann ging es mit Verspätung, vor leeren Rängen und unter Einhaltung strengster Hygienevorschriften in den Liga-Endspurt, den die Fohlenelf als Tabellenvierter mit einem Happyend krönte.
Strenge Maßnahmen gab es auch gestern im Borussia-Park, und die Atmosphäre war schon recht ungewöhnlich. Maskierte Fans und Medienvertreter verfolgten leicht angespannt das Treiben auf dem Trainingsplatz, der nun also wieder für Fans geöffnet ist. Über Borussia Mönchengladbachs Homepage haben sie die Möglichkeit, Freikarten für den gewünschten Trainingstag auszudrucken. Gegen Vorlage eines Ausweisdokuments ist dann der Weg und der Blick auf ihre Lieblingsspieler frei. Die 300 Tickets gestern war binnen 30 Minuten vergriffen. Natürlich sind nach wie vor Mund- und Nasenschutz Pflicht, Kontakte zwischen Fans und Spielern oder Trainern weiter untersagt.
Trotzdem: nach langen Wochen der Entbehrung war es schon ein Hauch von „Gänsehaut-Erlebnis“, bei der ersten Probe der Fußball-Spielzeit 2020/2021 dabei sein zu dürfen, die im Borussia-Park im Zeichen des 120-jährigen Vereinsjubiläums steht.
300 Fans gestern – ob es in Zukunft in den Stadien wieder mehr sein werden? Die Gladbacher Fußball-Arena ist auf jeden Fall gewappnet. Derzeit werden die mehr als 20 000 Plastikkameraden auf den Rängen abgebaut. Die Konterfeis der Fans sollten in der Corona-Zeit in den letzten vier Heimspielen (drei Siege) der alten Saison eine Zuschauer-Kulisse simulieren, was sogar europaweit Nachahmer fand.
25 Spieler, inklusive der fünf Nachwuchskräfte aus dem Fohlenstall und drei Torhüter, haben sich gestern um Elf Uhr um den Trainerstab versammelt. Nach einer lockeren Laufeinheit ging es auf den Athletik-Platz zum Stretching, ehe dann der Ball im Mittelpunkt stand und bei verschiedenen Spielformen auch Tempo und Wucht nicht zu kurz kommen. „Das war schon ganz ordentlich für den Anfang“, lobte Rose seinen „coolen Haufen“, „ich habe viel Spaß und Spielfreude gesehen. Der Ernst kommt früh genug. Harte Wochen stehen bevor. Da es wegen Corona nur eine kurze Winterpause gibt, müssen wir, anders als im letzten Sommer, jetzt die Grundlagen für die ganze Saison erarbeiten.“
Neuzugang Hannes Wolf unter besonderer Beobachtung der Fans
Mit im Getümmel war gestern auch der bisher einzige Neuling im neuen Borussen-Trikot, auf dem jetzt der Name von Hauptsponsor Flatex prangt. Von RB Leipzig kam Marco Roses Wunschspieler Hannes Wolf, der im Mittelfeld nahezu alle Positionen bekleiden kann. „Er ist ein Mentalitätsspieler, flexibel und charakterstark. Er passt zu uns“, sagt Rose.
Zwei Schlüsselspieler des Champions-League-Teilnehmers fehlten am Dienstagvormittag auf dem Platz: Marcus Thuram (Operation am Sprunggelenk) und Denis Zakaria (Knie-Operation) befinden sich im Aufbautraining und im Zeitplan, wie der Trainer es ausdrückte. Bei Thuram wird es allerdings noch ein bisschen länger dauern.
Knapp sechs Wochen bleiben der Borussia, um sich für die erste Pokal-Pflichtaufgabe gegen einen Bremer Amateurligisten in Form zu bringen, erfolgreich in die Saison zu starten und beim erneuten „Tanz auf drei Hochzeiten“ in dem einen oder anderen Wettbewerb vielleicht wieder etwas Besonderes zu schaffen. Das Besondere zuletzt war Rang vier, den der Sportdirektor der Gladbacher, Max Eberl, auf eine Stufe mit einem Titelgewinn stellte. Auf diesem speziellen Terrain kennt sich Cheftrainer Marco Rose bestens aus. Er ist mit vier Trophäen aus Salzburg gekommen, und engere Vertraute Roses wissen, dass er es damit nicht belassen will. Die 65 Punkte mit Borussia Mönchengladbach waren ein erstes Ausrufezeichen, 20 Siege und der Sprung in die Königsklasse ein erster Vorgeschmack. Mehr Siege holten in der langen Geschichte des 120 Jahre alt gewordenen Vereins nur Hennes Weisweiler (Saison 1969/70, 73/74 und 74/75 – 23 und zweimal 21) sowie Jupp Heynckes (83/84 – 21 Siege).
Doch Trainer Rose hält sich zunächst dann doch lieber etwas zurück: „Natürlich war das Erreichen der Königsklasse großartig, aber wir sollten auch immer ein bisschen Demut walten lassen, ohne Ambitionen zu verlieren. Wir wollen auf jeden Fall nicht stehen bleiben, sondern uns weiterentwickeln und besser werden.“