Bundesliga-Geschichte: Als die Bayern nur müde Helden waren
Nach dem Europacup-Sieg 1974 verliert der Meister auf dem Bökelberg ohne Chance mit 0:5.
Mönchengladbach. Auch die Verlierer hatten gute Laune: Am letzten Spieltag der Saison 1973/74 gewann Borussia Mönchengladbach mit 5:0 gegen Bayern München. Was sich in der Ergebnis-Statistik als großer Triumph liest, war in Wirklichkeit das ungewöhnlichste Spitzenspiel der Liga-Geschichte.
"Ich habe immer drei Bälle auf mich zufliegen sehen - als ich wusste, welchen ich davon fangen konnte, war es schon zu spät." Sepp Maier, der Komödiant im Bayern-Tor, ließ keine Zweifel daran, dass er den Prozess der Ausnüchterung an diesem heißen Nachmittag am Bökelberg noch längst nicht abgeschlossen hatte.
Andere Bayern-Spieler versicherten, dass sie gewiss noch nicht wieder hätten Auto fahren dürfen, als sie auf den Rasen liefen. Und Gerd Müller, der sich zur Pause auswechseln ließ, soll in der zweiten Halbzeit auf der Bank ein Nickerchen gehalten haben. Die Helden waren müde, und sie hatten allen Grund dazu.
Am Abend zuvor hatten sie in Brüssel als erste deutsche Mannschaft den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Beim 4:0 gegen Atlético Madrid waren die Bayern endlich der Favoritenrolle gerecht geworden, die ihnen zwei Tage vorher fast zum Verhängnis geworden wäre: Nach torlosen 90 Minuten waren die Spanier in der Verlängerung in Führung gegangen und fühlten sich wie die Sieger, als Bayern-Vorstopper "Katsche" Schwarzenbeck in letzter Minute mit einem Verzweiflungsschuss traf.
Die Bayern hatten in ihrer Siegesgewissheit die Feier geplant, ein exklusives Buffet war eingeflogen worden. Der Rückflug in einer Sondermaschine gebucht. Nach dem 1:1 mussten sie improvisieren - auch bei der Feier nach dem Triumph am Freitag.
Da gaben die Stars alles, holten Trainer Udo Lattek am frühen Morgen noch einmal aus dem Bett und tranken, bis die Alkoholvorräte am Ende waren. Zur Belustigung in dieser Nacht soll auch ein Wettbewerb im Hotel-Teich gezählt haben, in dem es darum ging, Fische zu fangen. Einige kamen gar nicht ins Bett, sondern erst auf der dreistündigen Busfahrt zum Bökelberg zu einer Mütze Schlaf.
Die Meisterschaft hatten die Bayern sicher, die Borussia vom Bökelberg lag vor dem letzten Spieltag uneinholbare drei Punkte zurück. Jupp Heynckes schoss zwei Tore und zog damit in der Torjägerliste mit Gerd Müller gleich, beide kamen auf 30 Saisontreffer. Doch das alles störte die Bayern nicht. Einen Tag später waren sie wieder fit - bei der großen Double-Feier auf dem Marienplatz in München.