Die Meister der Effizienz
Gladbach feiert das dritte 1:0 der Saison. Das Tor beim HSV erzielt Igor de Camargo.
Hamburg. Marco Reus nahm einen Schluck aus der Trinkflasche auf dem Weg zum Auslaufen, als er Igor de Camargo im Bauch der Arena sah, umringt von Journalisten. „Igor, komm’ mit Auslaufen. Ach ja, mach erst mal die Siegerehrung fertig.“
Für Gladbachs neue Gelassenheit hätte es kaum bessere Darsteller geben können. Reus ist hinter Torhüter Marc-André ter Stegen der beste Feldspieler der Fohlen, de Camargo der effektivste Stürmer. Sein Kopfballtor (66.) nach Freistoß von Juan Arango sicherte Gladbach einen hochverdienten 1:0-Erfolg beim Tabellenletzten in Hamburg. Bereits zum Saisonauftakt in München hatte der Stürmer mit seinem Kopfball den Sieg beim 1:0 auf den Weg gebracht. Zwei Kopfbälle — sechs Punkte. De Camargo ist der Meister der Effizienz in der Liga.
Dabei stand sein Einsatz wegen Problemen mit den Adduktoren lange auf der Kippe. Jetzt war er der Matchwinner und wiegelte dennoch allzu viel Lob ab: „Das war ein kollektiver Sieg für die ganze Mannschaft.“ So viel Bescheidenheit ist auch Ausdruck eines intakten Mannschaftsgefüges. „Das Detail hat heute den Unterschied gemacht“, sagte de Camargo zu seinem Kopfballtor. Beinahe ungehindert ließen ihn die beiden Hamburger Slobodan Rajkovic und der eingewechselte Son einköpfen. Der Brasilianer wagte angesichts des vierten Saisonsieges im sechsten Spiel einen Blick nach vorne: „Wir wollen soviele Punkte wie möglich sammeln in der ersten Runde. In der Rückrunde versuchen wir, locker zu spielen.“ Da spricht einer, der aus der vergangenen Saison gelernt hat. Wie offenbar die gesamte Mannschaft auch.
Gladbach präsentierte beim HSV ein klassisches Favre-Spiel. Nach eher mäßigen ersten Hälfte mit zu vielen Ballverlusten und zu wenig Tempospiel steigerte sich die Elf, erspielte sich fünf bis sechs hochkarätige Chancen und erledigte die Aufgabe dann doch mit einem Tor aus einer Standardsituation. Bei drei von vier Siegen genügte Gladbach ein einziges Tor.
Gladbach Minimalsieg hat die schlechteste aller Startbilanzen des HSV auf sechs sieglose Saisonspiele ausgedehnt und damit den letzten Tabellenplatz zementiert. Mit jedem weiteren Spiel wird die Situation um Trainer Michael Oenning, der saisonübergreifend seit 13 Spielen mit dem HSV auf einen Sieg wartet, immer hoffnungsloser.
Vielsagend formulierte Vereinsvorsitzender Carl-Edgar Jarchow, angesprochen auf Oennings Zukunft bei einer weiteren Niederlage am Freitag beim VfB Stuttgart: „Wir haben vereinbart, darüber keine Aussagen zu treffen“, sagte Jarchow gestern. Dass der Klubchef keine Abstiegsgefahr für die Hamburger sieht, mag eine eigenwillige Einschätzung sein. „Der Kader ist gut. Wir haben die Qualität, um im Mittelfeld mitzuspielen.“
Nach dem Spiel gegen Gladbach darf daran gezweifelt werden. Nur eine klare Torchance erspielten sich die Hamburger in 90 Minuten. Tesches Kopfball flog Gladbachs Kapitän Filip Daems an den Ellbogen. Als der Elfmeterpfiff ausblieb, war das Schicksal des HSV besiegelt.