Gegen die „große Liebe“
Borussia Mönchengladbach ist für Jupp Heynckes ein besonderer Club. Der Bayer-Coach will trotzdem gewinnen.
Mönchengladbach. Jupp Heynckes wirkt freundlich wie immer in jüngster Zeit. Beredt und mit einer gewissen Leichtigkeit setzt sich der Cheftrainer des ungeschlagenen Tabellenführers Bayer Leverkusen im Gespräch mit unserer Zeitung mit dem Spiel am Samstag in der BayArena auseinander. Dass er das Spiel mit seiner Mannschaft gegen seine "große Liebe" Borussia Mönchengladbach möglichst erfolgreich gestalten will, wird ihm keiner verdenken können. "Das wäre ein wunderbarer Abschluss in diesem Jahr. Ansonsten wünsche ich natürlich den Gladbachern für den weiteren Saisonverlauf viel Glück. Sie haben sich super entwickelt", sagte der 64-jährige Fußball-Lehrer.
Heynckes hat nach seinem erfolgreichen Kurz-Engagement bei Bayern München seinen Erfolgsweg in Leverkusen nahtlos fortgesetzt. Die Rechnung der Bayer-Führungsspitze, eine Trainer-Persönlichkeit mit Charisma zu verpflichten, ist in jeder Beziehung aufgegangen. Mit einer Mischung aus Kompetenz, Erfahrung, Elan und einer Portion Heiterkeit ist es Heynckes gelungen, die junge Bayer-Mannschaft um den routinierten Abwehr-Hünen Sami Hyypiä zu einer starken Einheit zu formen.
Nach den beiden jüngsten "Ausrutschern" (0:0 in Hannover und 2:2 in Berlin) ist die Konkurrenz dem Spitzenreiter allerdings auf die Pelle gerückt. Schalke 04, der FCBayern, Werder Bremen und der Hamburger SV liegen auf der Lauer. Beunruhigt Sie das, Herr Heynckes? "Nicht im Geringsten", sagt der Bayer-Trainer, "wir werden in der Rückrunde eher noch stärker und stabiler, wenn Renato Augusto, Simon Rolfes und Patrick Helmes wieder voll einsatzfähig sind."
Auf Borussia Mönchengladbach wartet eine Woche nach dem "Ball paradox" im Borussia-Park (5:3 gegen Hannover mit drei Eigentoren der 96er) noch einmal eine zweifellos schwierige Aufgabe, die das Team von Michael Frontzeck in der augenblicklichen Verfassung allerdings kaum wird schocken können. "Natürlich fahren wir nach Leverkusen, um da etwas zu holen", sagt dann auch der junge Reus nach dem Sieg am vergangenen Samstag gegen Hannover - kein Einzelfall und symptomatisch für das gewachsene Selbstbewusstsein der "neuen Borussia".
Denn egal wo oder gegen wen der Tabellenelfte zuletzt gespielt hat, er war fast immer das bessere Team, mindestens aber gleichwertig. Das Punktekonto ist auf passable 21Zähler angeschwollen, das Gladbacher Publikum darf sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Saison einrichten, die frei von Abstiegsängsten verlaufen dürfte.
"Borussia hat in Michael Frontzeck einen guten und gewissenhaften Trainer, der seinen Weg gehen wird. Er war mein Spieler, und wir sind seit dieser Zeit befreundet", sagt Kollege Jupp Heynckes, der 1983 Frontzeck - damals 19 Jahre alt - in Gladbach zum Debüt verhalf. "Aber die Anhänger dürfen auch nicht zu hohe Ansprüche haben und keine Wunderdinge erwarten. Die Mannschaft muss sich erst wieder in der Bundesliga etablieren, um höhere Ziele anzupeilen."
Dass die Borussen in den vergangenen sieben Spielen nur eine Niederlage haben einstecken müssen, sei, so Heynckes, ein Indiz für das Funktionieren des Teams. "Wir werden die Borussia sehr ernst nehmen. Trotzdem glaube ich, dass unsere Erfolgsserie nicht abreißen wird. Wir werden unseren Weg gehen, auch in der Rückrunde. Wir werden unser Niveau halten. Die Bayern werden sich sehr anstrengen müssen, uns von der Spitzenposition zu verdrängen."
So eloquent sich Jupp Heynckes auch wieder äußerte, bei einer Frage übte er Zurückhaltung: Über die zweite, unglücklich verlaufene Trainerzeit in Mönchengladbach (Juli 2006 bis Januar 2007) ließ er sich nichts entlocken: "Ich lebe in der Gegenwart."