Analyse Rheinisches Derby: Was Köln von Gladbach unterscheidet
Analyse · Das Duell 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach elektrisiert nach wie vor – beide Vereine brauchen dringend Hoffnung. Ein Vergleich.
1. FC Köln, Platz 18, ein Punkt. Was sind die Gründe für diese Bilanz?
Zuerst ist das die schwächelnde Offensive ohne hochbegabten Abschlussspieler, der aus dem Nichts Tore machen kann. Davie Selke ist das nicht, auch wenn er mal gute Tage hat. Die meisten Flanken, starke Laufwerte, zahlreiche intensive Läufe und Sprints – die Parameter stimmen noch, der FC erarbeitet sich durchaus viele Chancen, aber hat erst vier Tore erzielt. Die wenigsten der Liga. Eine katastrophale Quote. Weil der FC über kein Geld verfügen kann, ist dieses Problem sehenden Auges in Kauf genommen worden. Gerade die sogenannten Zielspieler sind teuer und für Köln, wo Geschäftsführer Christian Keller gerade Sünden der Vergangenheit aufarbeitet, nicht mehr zu bezahlen. Dazu ist durch die Abgänge von Jonas Hector (Karriereende) und Ellyes Skhiri (zu günstig verkauft worden) viel Substanz verloren gegangen. Die Struktur im Kader steht damit auf der Kippe. Zuletzt fehlen mit Mark Uth und Jan Thielmann auch wichtige Offensivspieler verletzt.
Wie reagieren die Fans?
Nähme man die Diskussionen in den Sozialen Medien als Maßstab, konzentriert sich die Wut vieler Anhänger derzeit auf Geschäftsführer Keller, der beim FC einen klaren Plan der Konsolidierung verfolgt, aber damit auch das Risiko eines Abstiegs in Kauf zu nehmen scheint. Keller wird oft als Sparhansel verhöhnt – dem Fan ist in der Not eben jeder Grundsatz egal, der über die Saison hinaus tragen könnte. Im Stadion allerdings ist die Situation eine andere: die Anhänger stehen hinter ihrer Mannschaft und glauben spürbar an eine Wende zum Guten. Diesen Kredit hat sich das FC-Team in den vergangenen zwei Spielzeiten unter Steffen Baumgart erarbeitet. Dieser Kredit steht allerdings auch jetzt auf der Kippe, bereits gegen Gladbach. Danach stehen in Leipzig und im Pokal beim 1. FC Kaiserslautern weitere gefährliche Stolpersteine im Weg, die den FC-Zug entgleisen könnten.
Warum sitzt der Trainer auch nach einer Derby-Niederlage fest im Sattel?
Weil Steffen Baumgart das Kapital dieses Vereins ist. Die Mannschaft spielt seinen Stil, in zwei Jahren hatte sie auf diese Weise eigentlich nie mehr als zweimal nacheinander verloren. Das ist jetzt anders, aber der Glaube an Baumgart in Köln ist dennoch unerschütterlich. Der Mann mit der Mütze ist Entertainer, Bessermacher und Antreiber. Und eigentlich war der FC in noch keinem Spiel hoffnungslos unterlegen, abgesehen vom jüngsten Auftritt in Leverkusen. Aber klar ist auch: Alle diese Eigenschaften stehen jetzt auf dem Spiel. Baumgart wird sicher noch einigen Kredit haben, weil man beim FC weiß, dass ein anderer Trainer kaum mehr aus dieser Mannschaft herausholen könnte.
Was ist das Saisonziel und wie sind die Aussichten, es zu erreichen?
Saisonziel ist ein Platz im Mittelfeld, inzwischen geht es aber nur noch um den Klassenerhalt, das ist schon jetzt allen klar. Ein Punkt nach sieben Spielen erlaubt keine Träume mehr, das ist harte Realität. Allerdings ist auch angesichts der Konkurrenz das neue Ziel sicher machbar. Gefährlich ist allerdings die noch immer drohende Fifa-Transfersperre für den FC. Mit einer solchen könnte der fragile Tabellenletzte im Winter nicht nachlegen. Und müsste sich die Qualität dann selbst hochtrainieren. Ein schwieriges Unterfangen. Zumal der Glaube an das System mit weiteren Niederlagen schwinden würde. Und damit womöglich auch die Bereitschaft für den hohen körperlichen Aufwand. Ein gefährlicher Teufelskreis.
Borussia Mönchengladbach, Platz 12 mit sechs Zählern – was sind die Gründe für diese Bilanz nach sieben Spielen?
Dass der Borussia ob der Abgänge von Marcus Thuram, Jonas Hofmann, Lars Stindl und Ramy Bensebaini 39 ihrer in der vergangenen Saison erzielten 52 Treffer (75 Prozent) abhanden gekommen sind, ist kaum zu bemerken. Die Zugänge Tomas Cvancara und Franck Honorat bringen Tempo und Abschlusseffizienz mit, Robin Hack ist ein belebendes Element und Alassane Plea scheint wieder an seine guten Zeiten anknüpfen zu können. 13 Treffer bedeuten aktuell dann auch den siebtbesten Angriff der Liga. 16 Gegentreffer allerdings sind die sechstschlechteste Defensive, selbst Köln hat zwei Tore weniger kassiert. Es mangelt an der Balance zwischen Angriff und Abwehr, durch den Ausfall von Manu Koné fehlte es im Mittelfeld an Aggressivität, überdies erwiesen sich die jungen Außenverteidiger Joe Scally (rechts) und Luca Netz (links) als Achillesfersen. Erschwerend hinzu kam das mit Heimspielen gegen Bayer Leverkusen, Bayern München und RB Leipzig äußerst anspruchsvolle Auftakt-Programm, das alle im Blick hatten.
Wie reagieren die Fans?
Die Anhänger stehen derzeit wieder felsenfest hinter ihrem Team, nachdem sie sich in der vergangenen Rückrunde mehr und mehr abgewendet hatten. Schuld daran waren die leblosen Auftritte, der Mannschaft wurde fehlender Charakter nachgesagt. Die Fans verlangen Einsatz, Wille und Leidenschaft. Stimmt dieser, dann werden auch Niederlagen – selbst im Derby gegen Köln – verziehen. Schließlich wissen sie, dass die Zugänge die Abgänge in dieser Saison sportlich nicht zu einhundert Prozent ersetzen können. Dies liegt am wirtschaftlich konservativen Stil, mit cleveren Transfers in Zukunft wieder finanzielle Mehrwerte zu schaffen. Ein Weg, den die Anhänger mittragen, solange die Spieler auf dem Feld alles geben.
Warum sitzt der Trainer auch nach einer Derby-Niederlage fest im Sattel?
Bei der Borussia verschließt keiner die Augen davor, dass es ob des Umbruchs eine holprige Saison werden kann. Auf den Stationen beim FC Luzern, bei den Young Boys Bern und auch in seiner ersten Saison bei Bayer 04 Leverkusen (Platz drei) hat Gerardo Seoane bewiesen, dass er eine Mannschaft entwickeln kann. Der 44-Jährige ist ein sehr akribischer Arbeiter, der einen klaren Plan hat, wie er Fußball spielen lassen will. Hinzu kommt, dass Seoane ein Sprachtalent ist. Der Schweizer spricht sechs Sprachen und kann so die Spieler viel persönlicher mitnehmen als andere seiner Kollegen. Ein Aspekt, der gerade bei einem Umbruch von großem Wert ist.
Was ist das Saisonziel und wie sind die Aussichten, dieses zu erreichen?
Bei der Borussia haben sie ein Übergangsjahr ausgerufen und wissen, dass dies auch erst sehr spät in der Saison eine beruhigende Distanz auf die Abstiegsplätze mit sich bringen kann. Ziel ist, im Kader wieder Feuer zu entfachen sowie die Philosophie des Vereins von dynamischem Offensiv-Fußball neu zu beleben. Natürlich müssen auch Punkte aufs Konto, denn Resultate haben Einfluss auf die Entwicklung. Doch selbst wenn das Derby verloren ginge – perspektivisch scheint die Borussia auf einem guten Weg. Durch den Verbleib von Innenverteidiger Nico Elvedi konnte Seoane das System von 4-2-3-1 auf 3-5-2 ändern und so die Schwächen der Außenverteidigerpositionen abfedern. Eine Saison in ruhigem Fahrwasser scheint auch mit der Koné-Rückkehr absolut machbar.