„Jahrhunderttrainer“ Stevens durch Keller ersetzt
Gelsenkirchen (dpa) - „Jahrhunderttrainer“ Huub Stevens muss gehen, Jens Keller übernimmt bei Schalke 04 ein schweres Erbe: Der über Nacht beförderte Junioren-Coach soll den schleichenden Negativtrend des Fußball-Bundesligisten schon im Pokal-Achtelfinale am Dienstag gegen den FSV Mainz 05 stoppen.
Manager Horst Heldt benannte die Gründe für die Trennung von Stevens klipp und klar: „Wir haben nicht mehr daran geglaubt, dass wir dieses wichtige Spiel in der jetzigen Konstellation bewerkstelligen können.“
Die Mannschaft sei unter Stevens in der Bundesliga-Hinrunde „komplett hinter den Erwartungen“ geblieben. „Aber wir sind im Guten auseinandergegangen“, hielt Heldt fest, rühmte Stevens für dessen hundertprozentige Loyalität und bedankte sich öffentlich für das, was der Niederländer „auf Schalke“ geleistet hat. Trotzdem: „Wir mussten jetzt und heute eine Veränderung vornehmen“, sagte Heldt.
Stevens hatte das bereits befürchtet: „Als ich morgens um Viertel vor Acht von Horst Heldt angerufen wurde, um in sein Büro zu kommen, wusste ich, was die Stunde geschlagen hatte. Denn normalerweise ist er nie so früh auf der Anlage“, sagte er dem Magazin „Voetbal International“.
Schon da galten die alten Prämissen nicht mehr. Denn eigentlich wollten die Schalker mit Stevens alles in der Winterpause bereden. „Aber Pläne sind im Tagesgeschäft Makulatur“, meinte Heldt. Noch in der Nacht nach dem 1:3 gegen Freiburg wurde er aktiv und leitete den Wechsel in die Wege - auch, weil das Vertrauen fehlte, Stevens könne es nochmal richten. Akute Zielsetzung Heldts: im Pokal gewinnen und „mit Keller in die Champions-League-Qualifikation kommen“.
Der 42-Jährige soll nach seinem Kurzzeit-Intermezzo beim VfB Stuttgart (14. Oktober bis 11. Dezember 2010) auf jeden Fall eine mittelfristige Lösung bleiben. „Jens Keller macht es garantiert bis zum Ende der Saison - und dann gucken wir weiter“, kündigte der Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies im TV-Sender Sport1 an.
Tönnies betonte drei Dinge: Die Schalke-Profis hätten zuletzt „nicht gegen den Trainer gespielt“ habe. „Sie wollte gewinnen“, sagte der Schalke-Chef zum 1:3 gegen Freiburg. Stevens sei „ein toller Kerl. Er hat seine Interessen hinter die des Vereins und der Mannschaft gestellt und war mit dieser Entscheidung einverstanden.“ Und zum Dritten: Er sei „felsenfest davon überzeugt“, dass mit Keller die richtige Entscheidung getroffen worden sei.
Doch längst werden andere Kandidaten gehandelt. Christian Gross ist einer, den Heldt noch aus gemeinsamen Zeiten beim VfB Stuttgart kennt. Dort stellte er den Schweizer im Dezember 2009 ein. Gross' Nachfolger wurde zehn Monate später Keller. Dass der ebenfalls ins Gespräch gebrachte Mainzer Thomas Tuchel von der Spielzeit 2013/2014 an „auf Schalke“ anheuert, schloss FSV-Manager Christian Heidel rigoros aus: „Bevor Tuchel zu Schalke 04 wechselt, wechselt Lionel Messi zu uns.“
Noch am Samstag wand sich Heldt verbal. „Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich erstmal meine eigenen Gedanken finden muss“, ließ er auf die Frage wissen, ob Stevens, der das Team immerhin in das Achtelfinale der Champions League führte, denn gegen Mainz noch Schalke-Trainer sei. Doch die Verantwortlichen hatten keine Geduld mehr. Heldt, der von einer „insgesamt sehr, sehr hektischen“ Situation sprach, machte sich in den Stunden danach seine Gedanken - und Stevens wurde am Sonntagmorgen zum Gespräch gebeten.
Resultat: Er muss mit seinem Assistenten Markus Gisdol gehen. Die Entscheidung sei allen Beteiligten angesichts der großen Verdienste, die sich Stevens um den Verein erworben hat, „alles andere als leicht gefallen“.
Die Mechanismen des Fußballgeschäfts sprachen gegen Stevens. „Das tut weh im Augenblick. Natürlich ist unser Anspruch ein anderer“, kommentierte Heldt das Absacken auf den siebten Tabellenplatz. Heldt: „Wir sind leider hinter unseren Erwartungen geblieben, erfolgreichen Fußball spielen zu wollen.“ Schalke-Routinier Christoph Metzelder schwante schnell Böses für Stevens: „Das ist einfach so im Profifußball. Es kommt alles zusammen, auch in den vergangenen Wochen. Und das ist gefährlich“, ergänzte Metzelder.
Keller hat zwei Tage Zeit vor der Pokalpartie gegen Mainz. „Ich muss die Jungs erstmal kennenlernen“, sagte der bisherige U 17-Coach. 90 Minuten Training am Sonntag reichten noch nicht, um Klarheit über mögliche personelle Maßnahmen im Team zu bekommen. Keller versprach aber: „Am Montag werde ich eine Idee für das Spiel gegen Mainz finden.“