Oranje vor dem Aus: Was macht van Marwijk?

Krakau (dpa) - Für das erhoffte Wunder von Charkow springt selbst Bert van Marwijk über seinen eigenen Schatten. „Wir haben zwei Mal verloren. Daher werde ich etwas ändern“, sagte der Bondscoach.

Nach der Ernüchterung gegen Deutschland spricht vieles dafür, dass der niederländische Fußball-Nationaltrainer im letzten Gruppenspiel gegen Angstgegner Portugal am Sonntag in Charkow dem Druck aus der Heimat nachgibt und Klaas-Jan Huntelaar zusammen mit Robin van Persie im Angriff aufbietet.

„Robin hat sehr gut gespielt, und Klaas-Jan hat es auch gut gemacht, als er reingekommen ist“, sagte van Marwijk vor dem Alles-oder-Nichts-Spiel. „Wir müssen uns gegen die Portugiesen schon etwas überlegen, um unsere Chance noch zu nutzen, wenn die Deutschen gewinnen“, sagte der Bondscoach. Was, das wollte van Marwijk jedoch nicht sagen. Er gestand, dass es die schwerste Situation seiner vierjährigen Amtszeit ist. „Auf jeden Fall, das kann ich nicht leugnen“, sagte van Marwijk, der in der Heimat heftig kritisiert wird.

Auch die Spieler wissen noch nicht, was sich van Marwijk hat einfallen lassen, um das EM-Aus noch zu verhindern. „Ich hatte kein spezielles Gespräch mit dem Trainer“, erklärte Huntelaar: „Irgendwann hat man genug geredet.“ Der Schalker überraschte zwei Tage vor der Partie mit einer speziellen Taktik. „Wir müssen nicht zu schnell das 1:0 machen“, sagte der Schalker dem Magazin „Elf Voetbal“.

Hintergrund der Überlegung dürfte die spezielle Ausgangslage in der Gruppe B sein. Die Niederländer kommen nur weiter, wenn sie Portugal mit mindestens zwei Toren Unterschied schlagen und Deutschland zeitgleich gegen Dänemark gewinnt. Bei einem frühen 1:0 der Niederländer in Charkow könnten sich die DFB-Elf und die Dänen in Lwiw mit einem torlosen Remis begnügen, was das Aus für das Oranje-Team bedeuten würde, egal wie hoch sie Portugal besiegen. Die Portugiesen wären dann ebenfalls raus.

Mittelfeldregisseur Wesley Sneijder will sich mit all dem nicht beschäftigen. „Wir müssen nun alles oder nichts spielen“, sagte Sneijder. „Es wäre eine Schande, wenn Oranje schon in der Vorrunde ausscheiden würde“, meinte der Edeltechniker von Inter Mailand. „Es wird wohl ein paar Änderungen geben. Die elf, die spielen, haben es dann auch verdient.“

Doch kommt die Einsicht von van Marwijk noch rechtzeitig? Oder gibt es das erste EM-Vorrunden-Aus einer Elftal seit 32 Jahren? Die Statistik spricht gegen den Europameister von 1988. Noch nie in der EM-Historie hat eine Mannschaft die Vorrunde überstanden, wenn sie die ersten beiden Partien verloren hat. Zudem ist die niederländische Bilanz gegen Portugal beängstigend. Von zehn Duellen entschied die Elftal nur eine einzige für sich - in der Qualifikation zur EM 1992 in Schweden.

Im Achtelfinale der WM 2006 in Deutschland und zwei Jahre zuvor im Halbfinale der EM in Portugal kam für das Oranje-Team gegen die Portugiesen dagegen das Aus, ebenso wie in der Qualifikation zur WM 2002 in Japan und Südkorea. „Ich glaube trotzdem noch daran, dass wir weiterkommen“, sagte Huntelaar trotzig.

Neben ihm darf sich auch Rafael van der Vaart Hoffnungen auf einen Platz in der Startelf machen, auch wenn der frühere Hamburger selbst skeptisch bleibt. „Das habe ich schon so oft gedacht“, sagte van der Vaart nach dem Deutschland-Spiel mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme.

Aber van Marwijk hat besonders das defensive Mittelfeld als Schwachpunkt im Oranje-Team ausgemacht. „Die Abstimmung zwischen den beiden Innenverteidigern und dem Zentrum war schlecht“, gestand der 60-Jährige. Gut möglich, dass er seinen Schwiegersohn und Kapitän Mark van Bommel opfert, um durch van der Vaart aus der defensiven Zentrale mehr Impulse nach vorne zu bekommen.

Den Portugiesen sind die ständigen Querelen im Oranje-Lager egal, sie haben selbst ihre Dauer-Diskussion: Ronaldo und seine vergebenen Chancen. Trotzdem sind sie heiß darauf, die favorisierten Niederländer erneut nach Hause zu schicken und selbst das Viertelfinale zu erreichen. „Wir wollen das Spiel gegen Holland gewinnen und in die nächste Runde einziehen. Dann schauen wir weiter“, sagte Joao Moutinho.