Fortuna Düsseldorf Fortuna Düsseldorf und die Zeit des Erwachens
Sechs Spiele noch, das erste am Freitag gegen den VfL Bochum. Fortuna Düsseldorf steht kurz vor dem Aufstieg. Aber die Stadt müht sich um Begeisterung.
Düsseldorf. Wenn Friedhelm Funkel überlegen muss für eine Antwort, ist das ein seltener Moment. Eigentlich hat der Trainer mit integriertem Erfahrungsschatz alle geschliffenen Antworten dieser Fußball-Welt parat. Weil er sie alle schon mal gegeben hat. Für jede Situation eine Tonlage. Am Mittwoch wurde es kämpferisch, weil der Trainer des Zweitliga-Tabellenführers Fortuna Düsseldorf durch diese elendige Herumrechnerei, wie viele Punkte denn nun für den Aufstieg in die erste Liga aus verbleibenden sechs Spielen benötigt würden, sein Konzept gefährdet sah, das da lautet: Spiel für Spiel. Kein Blick geht weiter. Wenn man wie Funkel in seiner Karriere damit derart unfallfrei gefahren ist, verteidigt man das Konzept als Haltung. „Niemand kann davon ausgehen, dass wir aufsteigen“, sagte der 64-Jährige beinahe predigend. „Es wird noch sehr, sehr schwer.“
Die Lage: Vor dem Heimspiel am 29. Spieltag am Freitag gegen den aufstrebenden Tabellenachten VfL Bochum (18.30 Uhr) ist Düsseldorf Erster mit sechs Punkten Vorsprung auf Verfolger Nürnberg — und acht Punkten auf den Tabellendritten Kiel. Selbst das 0:1 in Darmstadt am Montagabend reichte nicht zum Düsseldorfer Drama, weil im ziemlich ausgeglichenen Unterhaus in surrealer Szenerie ab Platz 4 die Abstiegszone beginnt und niemand außer Düsseldorf ohne angezogene Handbremse nach oben strebt.
Aber auf die Frage, ob Funkel einen so komfortablen Vorsprung in seiner Karriere schon hergegeben habe, folgte doch eine kleine Pause. Die Antwort stärkt Düsseldorfer Hoffnung: „Nein.“
Und sie geht noch weiter. Allein mit dem 1. FC Köln war Funkel 2003 bereits früh und am 30. Spieltag aufgestiegen. „Damals hatten wir eine überragende Zweitliga-Mannschaft und das erste Spiel erst am 27. Spieltag verloren. Das war eine sehr, sehr, sehr gute Mannschaft“, erzählte Funkel und verglich: „Jetzt in Düsseldorf sind wir sehr gut.“
In Duisburg, wo er 1996 im April von Hannes Bongartz übernahm, stieg er am 33. Spieltag auf. Und mit Bayer Uerdingen (1992, 1994) und Eintracht Frankfurt (2005) gelang der Aufstieg jeweils erst im Endspiel am letzten Spieltag. Erinnerungen, die Funkel dann doch für einen Moment ausbrechen lassen: „Ich bin das gewohnt. Aber ich möchte versuchen, das in diesem Jahr zu vermeiden, dass wir am letzten Spieltag noch ein Entscheidungsspiel haben. Wir tun alles dafür, vorher noch das ein oder andere Spiel zu gewinnen.“
Wer da aber noch alles kommt: erst Bochum, das wie gerade erst Darmstadt mit dem Trainerrecken Dirk Schuster unter dem routinierten Robin Dutt zu neuer Blüte findet. „Da sind wieder Struktur und klare Aufträge im Spiel zu erkennen“, sagt Funkel, und es klingt, als rede er über sich. Und erkläre Alter und Erfahrung dann doch zum Wert an sich. Es folgen Spiele gegen Heidenheim, Ingolstadt, Dresden, Kiel und Nürnberg — mit Bochum allesamt Gegner, die noch um Aufstieg oder gegen den Abstieg kämpfen — und gegen die Düsseldorf in der Hinrunde nur ganze drei (!) Punkte geholt hat.
Sechs Spiele nur noch. Aber in Düsseldorf ist es noch immer ruhig: Die Stadt ist noch nicht Fortuna, wie sie es schon einmal gewesen ist. Der Zuschauerschnitt ist mit 26 304 durchschnittlich und schlechter als 2012 (32 036), als Düsseldorf mit dem Trainer Norbert Meier und einem seinerzeit verschworenen und alt eingesessenen Haufen von der 3. mit in der 2. Liga 62 Punkten und zwei Relegationsspielen gegen Hertha BSC in die 1. Liga ritt — und damit eine Zeit der Tristesse beendete, die 2002 bis 2004 zwei Spielzeiten Oberliga-Nordrhein-Fußball beinhaltet hatte. Ganz Düsseldorf war selig. Am Ende massakrierten 51 000 Zuschauer Rasen und Tornetze in der Arena. Und die Toten Hosen spielten „Tage wie diese“ dazu. Gänsehaut.
Aber was ist seither passiert? Der Klüngel nahm Überhand, Trainer wie Lorenz-Günter Köstner oder Marco Kurz kamen ohne erkennbaren Grund, Sportdirektoren wie Helmut Schulte oder Rachid Azzouzi fehlte der Plan.
Das ist unter Vorstand Robert Schäfer und seinem Weg der engen Führung bei gleichzeitiger Vermehrung des Fußball-Sachverstands anders. Aber weil Düsseldorf ein kritisches Publikum hat und eine verwöhnte Stadt ist, braucht es Zeit für neue Euphorie. Und womöglich braucht es sogar — so traurig das manchem erscheinen mag — dafür die erste Liga. Zumal sich die Skepsis gegenüber dem Fußball mit all seinen Auswüchsen auch in der Landeshauptstadt vermehrt hat.
Dass Fortuna Düsseldorf dazu ein Gegengewicht bilden möchte, sich für die Beibehaltung von der „50+1-Regel“ und solides Wirtschaften mitsamt steter Weiterentwicklung von Spielerqualität und -werten ausspricht, ist eine echte Chance für den Verein, auch im Oberhaus Sympathie zu ernten. Was ein solcher Aufstieg brächte, hat Schäfer im Interview mit dieser Zeitung vorausgesagt: „Mindestens eine Verdoppelung an Umsätzen. Und eine Verdoppelung an Aufmerksamkeit für unsere Stadt Düsseldorf. Also: 100 Prozent mehr in allen Bereichen.“
Funkel hat diese Chance längst erkannt, er wird weiter Trainer sein. Und weiß, dass seine Spieler, die er für eine „verschworene Gemeinschaft“ hält, jetzt die Anhänger brauchen: „Kommt alle ins Stadion“, sagte er am Mittwoch vor dem Spiel gegen Bochum. Es klang beschwörend, es war die forsche Tonlage. Jetzt zieht Funkel an, Zeit des Erwachens. Düsseldorf hat sich lange genug zurückgehalten.