Interview: Der Dichter als Fortuna-Fan

Bislang hat Henning Heske vor allem Lyrikbände veröffentlicht. Jetzt hat er über sein Dasein als Fortuna-Fan geschrieben.

Düsseldorf. Henning Heske verstand sich bislang als ernsthafter Schriftsteller. Mit 23 Jahren gewann er den zweiten Preis des Autorentreffens NRW. Er schreibt Lyrik, Kinderbücher, Rezensionen und arbeitet für Marcel Reich-Ranicki an der Frankfurter Anthologie, einer Sammlung deutschsprachiger Gedichte mit Interpretationen.

Jetzt hat der 49-Jährige einen Ausflug in ein anderes Fach unternommen: Drei Jahre lang hat er Fortuna Düsseldorf als Kolumnist begleitet. Die Arena-Besuche dienen ihm als Sprungbrett für Gedanken über Bratwurstvariationen, Reiner Calmund und wippende Zöpfe von Polizistinnen, die ihn an "Sexualität und Wahrheit" von Michel Foucault erinnern.

51 Texte sind entstanden, die jetzt in Heskes Buch "In der Arena - Leben mit Fortuna Düsseldorf" erschienen sind. Am Donnerstag liest er im Sternverlag. Beginn: 20.15 Uhr

Herr Heske, wann waren Sie zuletzt im Stadion?

Heske: Beim letzten Heimspiel gegen Paderborn. Ich habe zum ersten Mal eine Dauerkarte, Block 35, also noch in der Fankurve.

Wie sind Sie da so? Singen Sie mit?

Heske (lacht): In letzter Zeit immer mehr, obwohl ich das nicht wirklich gut kann. Ich merke mir sogar die Texte. Ansonsten trage ich Trikot und Kappe.

Haben Sie denn das neue Lied schon drauf? Die Fortuna ist mein Verein . . .

Heske: ... mein Herz das schlägt für Düsseldorf am Rhein. Da kannst Du jeden in Deutschland fragen, F95 ist einfach nicht zu schlagen.

Wie kommt ein Dichter dazu, über Fußball zu schreiben?

Heske: Zum einen wollte ich weg von der Ernsthaftigkeit des Gedichteschreibens. Außerdem liest kaum einer Lyrik, so dass es so gut wie keine Resonanz gibt. Zum anderen hatte ich einige Bücher über Fußball gelesen. Beziehungen zwischen Massensport und Gesellschaft faszinieren mich. Da ich seit drei Jahren fast jedes Heimspiel der Fortuna gesehen habe, bot es sich an, darüber zu schreiben. Schließlich schrieb ich regelmäßig Fortuna-Kolumnen fürs Internet.

Was sagt Reich-Ranicki dazu?

Heske: Ich habe ihm das Buch nicht gezeigt. Dann dürfte ich wohl nicht mehr für ihn schreiben. Er ist da ein sehr eigener Mensch. Ich habe aber selbst lange geglaubt, dass ich mir als anspruchsvoller Schriftsteller durch solche Texte Steine in den Weg lege. Jetzt mache ich, was mir Spaß macht. Da ist es mir letztlich auch egal, was Reich-Ranicki darüber denkt.

Warum entdecken so viele Kulturschaffende und Intellektuelle den Fußball? Der Kabarettist Frank Goosen und der Soziologe Klaus Theweleit schreiben darüber, Günter Grass saß sogar öfters beim SC Freibug auf der Tribüne.

Heske: Das ist schon erstaunlich. Fußball hat eine enorme Entwicklung gemacht. Meine Mutter hätte noch lieber gehabt, dass ich Tennis spiele. Fußball hatte lange den Ruf des Proletarischen.

Der Untertitel Ihres Buches lautet: "Leben mit Fortuna Düsseldorf." Wie haben Sie das ausgehalten?

Heske: Es war teilweise wirklich schwer. Einmal bin ich sogar zum Football gegangen. Das war aber auch keine Lösung.

Wie erleben Sie die derzeitige Fortuna-Euphorie? Der Flughafenchef hat die Mannschaft beim Abflug Richtung Berlin sogar offiziell verabschiedet.

Heske: Typisch Düsseldorf. Mit Erfolg will man sich schmücken, aber die harten Zeiten machen nicht so viele mit. Trotzdem ist es unglaublich, dass plötzlich bei einem Drittligaspiel das Stadion ausverkauft war. Das hat man lange nicht zu träumen gewagt.

Wie wurden Sie eigentlich zum Fortuna-Fan? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Heske: Mit elf Jahren hat mich mein Vater zu einem Spiel mitgenommen, Fortuna gegen Bochum, 1971, im Aufstiegsjahr. Als Reiner Geye das Tor zum 3:1 schoss, war es um mich geschehen. In den Bundesligajahren ging ich dann regelmäßig. Erst in der Studentenzeit verlief sich das. Als Student ging man damals nicht zum Fußball.

In einer Geschichte ihres Buches vergleichen Sie Fortuna Düsseldorf mit der auf Krücken gestützten Glücksgöttin, wie sie auf einem Bild von Immendorff zu sehen ist.

Heske: Es ging mir um das Fragile und Wackelige, das auch Fortuna Düsseldorf zu eigen ist. Wie die Göttin versucht auch der Verein die Balance zu halten, das gleicht aber einem Gang wie auf Eiern.

Wie entstehen Ihre Kolumnen? Kommen Ihnen die Ideen vor, beim oder nach dem Spiel?

Heske: Meistens vorher. Ich habe eine Liste mit Themen und sammel Material. Auf meinem Schreibtisch liegt zum Beispiel immer noch ein wissenschaftlicher Artikel über Köperrituale im Fußball. Er handelt unter anderem davon, wie sich der Torjubel im Laufe der Zeit verändert hat. Darüber will ich irgendwann schreiben, aber ich warte noch auf das passende Spiel, es müssen viele Tore fallen.

Versteht man die Welt als Fußballfan eigentlich besser?

Heske: Für mich persönlich ist es eher eine völlig andere Welt, eine tolle Ablenkung. Wenn ich vor dem Spiel mit meinem Neffen eine Bratwurst esse, dann ist das was ganz Besonderes. Dass man die Welt als Fan besser versteht, glaube ich also nicht, aber: Fußball bereichert das Leben.