Kolumne: Fußball-Philosophie mit Helmut Schulte
La Manga. Der Blick schweift. Über braune Hügel, über grünen Rasen, über die Betonburgen in der Ferne, über das Meer, dann bleibt er am „Langen“ hängen. Helmut Schulte ist gekommen und hat sich zu der illustren Runde von Medienvertretern gesellt, die sich einem inneren Trieb folgend jeden Morgen am Trainingsplatz des La Manga Club Resort versammelt.
Mit einer Regelmäßigkeit, mit der eine Herde Elefanten jeden Morgen ihre Wasserstelle in der Kalahari aufsucht, finden wir uns hier ein, um unseren Wissensdurst zu stillen. Wer turnt wieder auf dem Platz herum? Wer fehlt verletzt? Wer handelt sich diesmal einen Anpfiff vom Trainer ein? Wer wird gelobt?
Das sind die Standardfragen. Die treiben einen um, doch berühren die Antworten meist nicht unser Innerstes. Wo ist die Tiefe? Der Sinn? Woran können wir in diesem Fußball-Geschäft glauben, in dem einer heute noch das Wappen auf der Brust küsst und morgen beim Lokalrivalen spielt?
Als Fortunas Sportvorstand wie jeden Morgen mit Wolf Werner im Schlepptau ankommt, ahnen wir noch nicht, dass aus der netten Plauderei über die ermüdende Dominanz der Bayern in der Bundesliga ein beinahe philosophisches Gespräch werden wird. So erklärt uns Schulte, dass er nichts davon hält in der Winterpause ohne große Not viele Spieler zu verpflichten: „Sie müssen das aus Sicht der vorhandenen Akteure sehen. Das ist doch ein Signal an die: Wir brauchen neue Leute, weil ihr nicht gut genug seid.“
So baue man doch keine Mannschaft auf. Mal abgesehen davon, dass es im Winter eh fast nur Bankdrücker auf dem Markt gebe. Der „Lange“, so nannte man ihn früher auf Schalke oder bei St. Pauli, gibt ein paar Anekdoten aus seinem Fußballerleben zum Besten und offenbart, wie er tickt.
„Ich habe viel Geduld mit Trainern. Ich habe ohnehin viel Geduld mit Menschen.“ Bei denen, die gegen ihn handelten, sei es manchmal sogar zu viel. Und weiter: Der Fußball ist ein Abbild unserer Gesellschaft. „Nur unter dem Brennglas“, sagt Schulte. Das Stadion, der multimedial ausgeleuchtete Schnellkochtopf eines Sozialgefüges - und seiner Probleme.
Schulte kann mit der ständigen Beobachtung umgehen. Er kommt locker, offen, frisch und mit viel Humor daher. Als die Fotografen ihn vorgestern fernab des Platzes beim Telefonieren entdecken, spielt er mit ihnen Verstecken und verschwindet grinsend hinter einem Stromhäuschen. Weg ist er, der Lange.