Löw verspricht Fußballfest - Özil schwingt Taktstock
Hamburg (dpa) - Präsente statt Experimente: Joachim Löw will zum Abschluss des erfolgreichen Länderspieljahres gleich mehrere vorweihnachtliche Geschenke verteilen. Den Fußballfans versprach der Bundestrainer für das Freundschaftsspiel gegen den WM-Zweiten Niederlande nochmals ein Offensivfest.
Die Spieler sollen am Dienstag in Hamburg weiteres Selbstbewusstsein für die EM bekommen - der Bundestrainer selbst möchte ein gelungenes Jubiläum. „Wir wollen unsere Kraft nach vorne ins Spiel bringen“, kündigte Löw vor seinem 75. Spiel als Bundestrainer an. Mesut Özil soll dabei in zentraler Position die Fäden ziehen.
Ob Toptorjäger Miroslav Klose nach seiner Knieverletzung in die Startelf zurückkehren kann, wusste Löw am Montag noch nicht. Bis zum Anpfiff in der ausverkauften Hamburger Arena muss geklärt werden, ob Kloses Belastbarkeit wieder hundertprozentig hergestellt ist. Der 33-jährige Angreifer von Lazio Rom hatte wegen einer Sehnenentzündung schon die vergangenen drei Länderspiele verpasst. „Mir geht es ganz gut“, berichtete Klose über seine Genesung, räumte aber auch ein: „Es ist noch nicht ganz weg.“ Löw muss das Risiko abwägen.
Das lang angekündigte Experiment mit einer Doppelspitze Klose/Gomez scheint aus noch mehr Gründen vertagt. Im Training blieb kaum Zeit, die zuletzt vor zwei Jahren praktizierte Variante aufzufrischen, wie Mario Gomez verriet. „Ich glaube, wenn wir mal mit zwei Stürmern spielen, dass das auch funktionieren kann. Aber man muss uns ein wenig Zeit dafür geben, uns einzuspielen“, bemerkte Klose. Zudem dürfte Holland als Gegner auf Augenhöhe nicht der passende Testkontrahent für zwei Stürmer und den damit verbundenen Verlust eines zweiten defensiven Mittelfeldspielers sein.
Auch für Löw ist die Begegnung mit den Nachbarn ein Prestige-Duell, anheizen mochte er das erste Auseinandertreffen nach sechs Jahren aber nicht. „Ich glaube, dass die Rivalität ein Stück weit abgenommen hat im Vergleich zu 1988 oder zu 1990, als die Spiele unglaublich umkämpft waren“, sagte Löw. Die Gefahr von „übergroßen Aggressionen“ sehe er nicht mehr. Und im Hinblick auf die EM-Endrunde im kommenden Sommer, bei der sich beide Titel-Mitfavoriten schon in der Vorrunde wiedertreffen könnten, hätte das Spiel jetzt im November „keinen Einfluss“, betonte der Bundestrainer.
Dennoch ist die 38. Auseinandersetzung mit den Oranjes für Löw und sein erfolgshungriges Personal nach dem 3:2-Sieg im August gegen Brasilien ein weiterer Gradmesser und neben dem Frankreich-Spiel im Februar 2012 die letzte Möglichkeit, vor dem EM-Turnier die Titelreife von Team und Spielern zu beurteilen. „Wir wollen uns messen mit der Nummer zwei der Welt“, betonte Löw. Ein gelungener Jahresabschluss, den man in den vergangenen Jahren laut Manager Bierhoff mehrmals „verbockt“ hatte, wäre zudem für die Psyche nicht zu unterschätzen. 2004 glückte in Bangkok mit einem 5:1 gegen Leichtgewicht Thailand zuletzt ein erfolgreicher Jahresausklang.
Der Ehrgeiz ist bei allen Protagonisten groß. Der letzte deutsche Erfolg gegen die Holländer liegt mehr als 15 Jahre zurück, zu Hause wartet Deutschland sogar 25 Jahre auf einen Sieg im hochemotionalen Nachbarschaftsduell. „Gegen Brasilien hat auch jeder gedacht, es ist ein Endrundenspiel. Gegen Holland ist es auch so“, sagte der beim 3:3 in Kiew fehlende Stammkeeper Manuel Neuer. Hinten soll nach zehn Partien endlich wieder einmal die Null stehen.
„Da geht es ums Prestige, um den eigenen Anspruch in der Welt“, erklärte Dennis Aogo, der in seinem Heimspiel hinten links den geschonten Kapitän Philipp Lahm ersetzen darf. Der Hamburger trifft bei den Holländern auf die ehemaligen HSV-Profis Nigel de Jong (jetzt Manchester City), Joris Mathijsen (FC Malaga) und Khalid Boulahrouz (VfB Stuttgart). Der Ex-Hamburger Rafael van der Vaart, der sich beim 0:0 der Niederländer im Test gegen die Schweiz einen Muskelfaserriss zugezogen hatte, fehlt ebenso wie die Stürmerstars Arjen Robben (Aufbautraining) und Robin van Persie vom FC Arsenal (Schonpause).
Dennoch kommt das Team von Trainer Bert van Marwijk mit „Weltklassespielern, die in den Spitzenclubs Europas zu Hause sind“, wie Löw unterstrich. Auch Schalke-Torjäger Klaas-Jan Huntelaar soll trotz seines Nasenbeinbruchs mit einer Schutzmaske auflaufen. Hamburg steht für einen der größten holländischen Siege gegen Deutschland: Am 21. Juni 1988 hatte der DFB hier bei der Heim-Europameisterschaft den Halbfinal-K.o. erlitten - kurz vor Schluss durch Marco van Basten.
Zum Jahresabschluss möchte Löw trotz aller Brisanz auch etwas Rücksicht auf die hohen Belastungen einiger Nationalspieler nehmen. „Wir wollen das Spiel gewinnen. Das Ergebnis ist aber vielleicht nicht das Allerwichtigste“, sagte der 51-Jährige. So möchte der Bundestrainer einige Spieler, die bis zum Jahresende in den Ligen und in der Champions League noch viele Spiele haben, „etwas früher runternehmen, wenn es Ergebnis und Situation zulassen“.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Deutschland: Neuer (Bayern München/25/24) - Höwedes (Schalke 04/23/5), Mertesacker (FC Arsenal/27/78), Badstuber (Bayern München/22/17), Aogo (Hamburger SV/24/8) - Khedira (Real Madrid/24/23), Kroos (Bayern München/21/23) - Müller (Bayern München/22/24), Özil (Real Madrid/23/29), Podolski (1. FC Köln/26/94) - Klose (Lazio Rom/33/112)
Niederlande: Stekelenburg (AS Rom/29/43) - van der Wiel (Ajax Amsterdam/23/28), Heitinga (FC Everton/28/73), Mathijsen (FC Malaga/31/77), Braafheid (1899 Hoffenheim/28/9) - van Bommel (AC Mailand/34/72), Strootman (PSV Eindhoven/21/9) - Kuijt (FC Liverpool/31/83), Luuk de Jong (FC Twente/21/4), Babel (1899 Hoffenheim/24/41) - Huntelaar (FC Schalke 04/28/48)
Schiedsrichter: Cakir (Türkei)