Unvollendeter Jubilar Löw - Titel fehlt noch
Hamburg (dpa) - Das Kicken hat Joachim Löw auch als „Ü 50“-Spieler keineswegs verlernt. Beim kleinen Prestigeduell mit seinen Kritikern führte der Ex-Profi sein Trainerteam vor dem Holland-Spiel zum knappen Sieg gegen eine Auswahl von Nationalmannschafts-Reportern.
Auch auf dem Kleinfeld in einer Hamburger Fußball-Halle stand der 51-Jährige im Mittelpunkt. Als Einziger spielte Löw 60 Minuten durch und ließ im Zusammenspiel mit seinen treuen Helfern Olli Bierhoff, Andy Köpke und Hansi Flick seine Ballfertigkeit aufblitzen.
Am Tag danach verteilte ein bestens aufgelegter Bundes-Jogi ein „Kompliment“ an die Journalisten „für eine so nicht zu erwartende Leistung“. Und frotzelnd fügte er hinzu, er habe kurz nach seinem Experiment in der Ukraine (3:3) „Ansätze einer Dreierkette“ beim Reporterteam erkannt - die Lacher hatte er damit auf seiner Seite.
Für Löw war die Kicker-Stunde eine willkommene Ablenkung vor seinem 75. Länderspiel als Cheftrainer am Dienstag gegen Holland. „Diese Zahl und solche Jubiläum bedeuten mir nichts“, wiegelte er ab. Er will vielmehr mit einem Titel „in die Geschichtsbücher eingehen“. Der fehlt ihm noch, um in einer Reihe zu stehen mit seinen Vorgängern Sepp Herberger (Weltmeister 1954), Helmut Schön (Europameister 1972 und Weltmeister 1974), Jupp Derwall (Europameister 1980), Franz Beckenbauer (Weltmeister 1990) und Berti Vogts, der 1996 bei der EM in England den bislang letzten deutschen Triumph schaffte.
Noch ist Löw ein Ungekrönter - auch wenn er längst Bestmarken vorweisen kann, wie zuletzt in der EM-Qualifikation mit zehn Siegen in zehn Partien. „75 Spiele sind eine gute Leistung, aber wichtig ist, was rausgekommen ist. In der Erfolgsquote ist er die Nummer eins der Bundestrainer“, bemerkte Oliver Bierhoff. Mit 2,24 Punkten führt Löw vor den Europameistern Vogts (2,18) und Derwall (2,10).
Teammanager Bierhoff hat Löws bemerkenswerte Entwicklung vom kleinen Assistenten an der Seite von Sommermärchen-Regisseur Jürgen Klinsmann zum stilbildenden Chef hautnah miterlebt. Schon bei der WM 2010 habe Löw seine Arbeit mit dem jungen Team „verwirklicht gefühlt“, so Bierhoff. Nur vollendet wurde sie in Südafrika noch nicht, „weil der Titel gefehlt hat“, betonte der Manager.
Mit Fug und Recht kann man sagen, dass sich Löw in den fünf Jahren seiner Amtszeit eine Mannschaft geschaffen hat, die als „Jogi-Löw-Team“ tituliert werden kann. Von 75 Spielern, die er in bislang 74 Partien eingesetzt hat, haben 50 unter ihm debütiert.
Löw hat die Saat der millionenschweren Nachwuchsförderung des DFB und der Profivereine zum Blühen gebracht. Die deutschen Tugenden sind nur noch Grundlagen eines technikgeprägten Fußballs, in dem Künstler wie Mesut Özil den Takt vorgeben. „Unsere Ausbildung ist verstärkt auf Technik ausgerichtet worden. Es war massiv nötig, umzudenken“, erklärte Löw. Von Jahr zu Jahr wird das Team jünger - auch ein Michael Ballack wurde schleichend auf das Altenteil geschoben.
Löw hat mit den Jahren gelernt, „angefangene Wege zu verlassen“, wie Bierhoff es ausdrückt. Wie die Spieler habe auch Löw einen Reifeprozess durchlaufen, bemerkte Torwart Manuel Neuer: „Je länger man dabei ist, umso abgebrühter wird man. Das gilt auch für den Trainer.“ Der am Spielfeldrand emotionale Löw hat das System verändert von zwei Angreifern auf eine Spitze und trotzdem das Offensivspiel forciert. Jetzt arbeitet der Perfektionist besessen an einem Masterplan für die Ablösung der Spanier als führende Fußballnation.
„Die Spanier sind nur zu schlagen, wenn man ihnen fußballerisch Paroli bieten kann“, lautet Löws Lösungsansatz für die EM 2012. Auf diese Mission hat er alles ausgerichtet. Er hat sich mit Erfolgen das Vertrauen der deutschen Fans erworben, seinen Weg konsequent zu gehen - auch mit gewagten Experimenten und personellen Eigenwilligkeiten. Löw hat sich „seinen“ EM-Baukasten zusammengestellt: Jetzt muss er nur noch die richtigen elf Teile für jedes EM-Spiel zusammenstellen.
Die Bundestrainer im Vergleich:
Anm.: Spiele, die im Elfmeterschießen entschieden wurden, sind als Unentschieden gewertet