Biotechnologie: Richtige Therapie spart Geld

DNA-Tests könnten die Medizin revolutionieren. Nur eine Vision? Wir sprachen darüber mit Qiagen-Chef Peer M. Schatz.

<b>Düsseldorf. Herr Schatz, was hat sie als eines der größten deutschen Biotech-Unternehmen nach Hilden bei Düsseldorf verschlagen? Schatz: Hilden ist unsere größte Zentrale weltweit und wir beschäftigen hier rund 800 Leute. Hilden hat historische Gründe. Wir sind 1984 aus der Universität Düsseldorf heraus ausgegründet worden. Bis heute gibt es Verbindungen zur Uni. Wir führen unter anderem gemeinsame Forschungsprojekte durch. Aber Sie haben doch auch einen Firmensitz in Venlo? Schatz: In Holland haben wir unseren Holding-Standort. Der Sitz in Venlo hat einen unternehmensrechtlichen Hintergrund. In den 90er Jahren war es für eine Firma holländischen Rechts einfacher, an die US-Börse Nasdaq zu gehen. Und das wollten wir und haben es 1996 als erstes deutsches Unternehmen gemacht. Holland hat also nichts mit den deutschen Rahmenbedingungen für Biotechnologie zu tun? Schatz: Nein. Mit der Infrastruktur rund um die Arzneimittel-Forschung sind wir in Deutschland in vielen Bereichen recht gut aufgehoben. Bei der Stammzellenforschung gibt es gewisse Nachteile im Vergleich zum Ausland. Unser Gebiet ist aber die Diagnostik, und im deutschsprachigen Raum sind heute die größten Diagnostik-Firmen der Welt angesiedelt. Qiagen ist heute die Nummer 1 in "roter”, also auf den Menschen bezogener Biotechnologie in Deutschland und NRW - aber das wissen noch wenige auf der Straße. Gibt es im Ausland bessere Forschungsförderung als bei uns?Schatz: Da sind wir in Deutschland mit Sicherheit noch am Aufholen. Von den finanziellen Möglichkeiten her hinken wir noch weit hinter anderen Industrieländern hinterher. Unsere Ausgaben pro Kopf für die Forschung machen nur ein Bruchteil dessen aus, was etwa die Vereinigten Staaten ausgeben. Und warum bleiben Sie trotzdem in Deutschland? Schatz: Viele der Ideen der Biotechnologie sind aus Deutschland gekommen. Warum sollten sie hier nicht umgesetzt werden? Wir haben derzeit 80 Prozent unserer Forschung in Deutschland und beschäftigen hier über 300 Mitarbeiter auf diesem Gebiet. Die Qualität der Leute ist für uns sehr, sehr gut. Sie bieten Tests für Vogelgrippe und SARS. Derzeit hört man davon nur noch wenig. Geht das wieder los? Schatz: Wir hoffen, dass das jetzt vorbei ist. Es gibt aber noch Länder in Asien, die das ständig weiter untersuchen müssen. Unsere Produkte für den Nachweis dieser Erreger und Spuren laufen immer noch sehr gut. Sie bieten auch Testverfahren für Lebensmittel an. Wieso konnte sich eine Salmonellen-Epidemie wie in einer Klinik in Fulda so rasant ausbreiten? Schatz: Salmonellen haben andere Hürden. Wenn man Mayonnaise in der Sonne stehen lässt, kann es schon zu spät sein. Verstärkt werden Kontrollen in der Produktion eingeführt, die im molekularen Schnellverfahren eine konstante Kontrolle für hektoliterweise Pudding, Milchprodukte oder ähnliches gewährleisten. Die mikrobiologischen Testverfahren, bei denen auf kleinen Schälchen aus Proben etwas wächst, dauern Tage oder Wochen. Vielleicht hat ja in 15 Jahren jeder Haushalt sein eigenes, kleines Testgerät für solche Fälle daheim. Ein weiteres Qiagen-Betätigungsfeld, die molekulare Diagnostik mithilfe von DNA-Tests, soll die Medizin revolutionieren. Wie weit sind Sie damit? Schatz: Der "personalisierten Medizin” gehört die Zukunft, sie ist keine Vision mehr. Bevor sie kommt, werden wir zuerst erfahren, dass Patienten genauer diagnostiziert werden. Wer kennt nicht jemanden im Bekanntenkreis, der von Test zu Test gelaufen ist und auf dem Weg dorthin mit Medikamenten zugeschüttet wurde. Neue Methoden werden Breitbandtests ermöglichen. Mit DNA-Tests lassen sich auch genauere Vorhersagen über genetische Veranlagungen für Krankheiten treffen und wie jemand auf Medikamente reagiert. Müssten normale Mediziner bereits heute diese Tests benutzen? Schatz: Eine bessere und zielführendere Diagnose von Patienten vor Verabreichung von Arzneimitteln ist mit Sicherheit der Trend der Zukunft. Pharmakogenomik, also eine "personalisierte Medizin”, versetzt die Ärzte in die Lage, ihre Patienten "maßgeschneidert” zu behandeln. Könnten dabei auch Gesundheitskosten eingespart werden?Schatz: Der Einsatz der neuen Diagnostika werden auch zu geringeren Arzneimittelkosten führen. Jedes Jahr werden Milliardenbeträge für die Verschreibung von für die Patienten wirkungslose Medikamente und Therapien ausgegeben. Eine Krebsbehandlung kann die Krankenkassen jährlich leicht 20 000 bis 50 000 Euro und mehr kosten. Beispielsweise wirken einige Brustkrebsmittel nur bei Frauen, die ein bestimmtes Genprofil haben, sonst aber nicht. Mit besseren Tests, die einen Bruchteil der Behandlung kosten würden, könnten gewaltige Einsparungen für bessere Behandlungen im Gesundheitswesen erzielt werden. Lässt sich die Kosteneinsparung beziffern? Schatz: Das ist schwer. Heute stehen sich aber weltweite Arzneimittelkosten von geschätzten 400 Milliarden Euro und Ausgaben für Diagnostika von 20 Milliarden gegenüber. Der letztere Wert wird steigen. Unsere Branche hat jährliche Wachstumsraten von 15 bis 20 Prozent.

Peer M. Schatz

Herkunft Peer M. Schatz, Jahrgang 1965 ist in den USA und der Schweiz aufgewachsen. Er ist Sohn des bekannten Biochemikers Prof. Gottfried Schatz.

Werdegang Sein beruflicher Werdegang wurde geprägt durch Sandoz, Computerland und der Mitgründung von mehreren Startup-Firmen aus der IT-Branche. Seit 1993 arbeitet er für Qiagen, seit 2004 als Vorstandsvorsitzen