Herbstgutachten: Am Rande der Rezession

Wirtschaftsforscher fordern niedrigere Steuern und Sozialabgaben.

Berlin. Trotz der positiven Reaktionen auf die milliardenschweren Staatshilfen für Banken wird die weltweite Finanzkrise in Deutschland Spuren hinterlassen. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute senkten ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum 2009 von 1,4 auf 0,2 Prozent. Falls die Finanzkrise voll auf die produzierende Wirtschaft durchschlagen sollte, wäre sogar ein Minus von 0,8 Prozent möglich.

Lob gab es für das 500-Milliarden-Hilfspaket der Bundesregierung für Finanzinstitute. Zum Rettungspaket sagte Udo Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle: "Die Aufgabe ist extrem schwierig. Grundsätzlich stimmt die Richtung." Die Institute sind zuversichtlich, dass die staatlichen Rettungspakete rund um den Globus die Bankenwelt stabilisieren können. Mit der Entschärfung der Finanzkrise dürfte sich ab Mitte 2009 die Weltkonjunktur allmählich erholen, heißt es.

Ein umfassendes Konjunkturprogramm - wie es Gewerkschaften und auch Koalitionspolitiker fordern - sei wenig erfolgversprechend, sagte Ludwig. Sinnvoll seien niedrigere Sozialabgaben, eine Reform der Einkommensteuer und schnellere Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Grundsätzlich dürfe das Ziel ausgeglichener Haushalte nicht aufgegeben werden. Der Chefökonom des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Joachim Scheide, sagte, die Bürger müssten entlastet werden, um das Wachstum zu stärken.

In einem "Risikoszenario" warnen die Institute davor, dass bei einem Einbruch der Weltwirtschaft und einer dauerhaften Finanzkrise die Wirtschaftsleistung 2009 im Jahresschnitt sogar um 0,8 Prozent schrumpfen könnte. Damit geriete Deutschland in eine ausgeprägte Rezession, wie sie nach den Ölpreisschocks in den 1970er Jahren und zu Beginn der 1980er Jahre zu beobachten gewesen sei. Dieses "Worst-Case"-Szenario, also der schlimmste anzunehmende Fall, sei eher unwahrscheinlich.

Im nächsten Jahr dürfte die schwächere Weltwirtschaft gerade den Exportweltmeister Deutschland treffen. Der Job-Boom läuft den Experten zufolge 2009 aus. "Am Jahresende werden 350 000 Menschen weniger beschäftigt sein als zu Jahresbeginn." Die Arbeitslosenquote werde 2008 und 2009 voraussichtlich aber konstant bei 7,5 Prozent liegen. Wegen sinkender Energiepreise werde die Preissteigerung gebremst. Die Inflationsrate gehe von 2,8 Prozent in diesem Jahr auf 2,3 Prozent in 2009 zurück.