Internet-Fernsehen zwischen „Markt der Zukunft“ und Riesenflop

20 Millionen potentielle Kunden sind vorhanden, 300 000 konnten insgesamt bisher nur gewonnen werden.

Berlin (dpa) ­. Eine beeindruckende Erfolgsstorysieht anders aus: Vor zwei Jahren hatte der damalige Telekom-Chef Kai-Uwe Rickenoch eine Million Abonnenten für das Internetfernsehen (IPTV) in Deutschland biszum Jahresende 2007 vorausgesagt. Diese Frist ist längst verstrichen, ohne dassdas ehrgeizige Ziel auch nur im Ansatz erreicht werden konnte.

Zur BerlinerFunkausstellung IFA 2008 haben der Marktführer Deutsche Telekom und alle seineWettbewerber zusammen noch nicht einmal 300 000 Kunden für das IPTV gewinnenkönnen. Dabei wären inzwischen fast 20 Millionen Haushalte in Deutschland in derLage, internetbasiertes TV über eine Settopbox auf dem Fernseher zu empfangen.

Gründe für die Misere gibt es etliche. Vielen Interessenten waren dasInternetfernsehen und der dafür notwendige Breitband- Internetanschluss imVergleich zu einer Satellitenschüssel oder einem Kabel-Abo zu teuer. Außerdemhatte IPTV anfangs mit technischen Macken zu kämpfen und konnte nicht alleVersprechen der Telekom- Manager erfüllen.

So funktionierte beispielsweise dieAufzeichnung von TV-Sendungen nicht korrekt, wenn der Ablaufplan der TV-Senderdurch „Überziehungskönige“ wie Thomas Gottschalk wieder einmaldurcheinandergeraten war. Genervt zeigten sich etliche Nutzer auch überlizenzrechtliche Einschränkungen, die beispielsweise die Aufzeichnung bestimmterTV-Sendungen in hoher Auflösung verbieten.

Achim Berg, Vizepräsident desBranchenverbandes BITKOM, beschwört zur IFA 2008 die Möglichkeiten der neuenTV-Welt: „IPTV ist dem traditionellen Fernsehen in vielen Bereichen überlegen.Aus reinen Zuschauern werden Akteure, die sich ihr Programm gestalten und durchzahlreiche Angebote des Webs ergänzen können.“ Berg spricht hier als Chef vonMicrosoft Deutschland auch für das eigene Unternehmen, denn der Konzern liefertmit „Microsoft TV“ die Software für „T-Home Entertainment“, das IPTV-Angebot derTelekom.

Die Telekom, die in Deutschland knapp 90 Prozent aller IPTV-Haushalte bedient, wird auf der IFA in Berlin eine Reihe von Verbesserungen undErweiterungen für „T-Home Entertainment“ ankündigen. So sollen beispielsweiseKinofilme wie Til Schweigers Erfolgskomödie „Keinohrhasen“ zeitgleich mit demDVD-Start als Video- on-Demand online in HD-Qualität zur Verfügung stehen.„Damit kann man sich den Gang zur Videothek sehr häufig sparen“, sagt einTelekom- Sprecher.

Nach seinen Angaben leihen T-Home-Kunden schon heutedurchschnittlich drei Videos im Monat online aus. Außerdem soll das TV- undVideo-Angebot „durch andere Medien“ ergänzt werden. Details wird die Telekom aufder IFA in Berlin bekanntgeben.

Beim Optimismus über die Zukunft vonIPTV steht die Telekom nicht alleine da: Auch das Marktforschungsinstitut GfKwarnt davor, das Internet-TV vorzeitig als Superflop abzuschreiben. Mehr als dieHälfte der deutschen Internetanwender (52,6 Prozent) hätten ein hohes oder sehrhohes Interesse an zeitversetztem Fernsehen, wie es über das Internet beim IPTVmöglich ist, ergab eine GfK-Studie, die im Auftrag der BITKOM erstellt wurde. InDeutschland sei Internet-TV ein „Markt der Zukunft“.

Nach dem schwachenStart von IPTV auf dem deutschen Markt macht die BITKOM nun ein steiles Wachstumfür das Internet-Fernsehen aus. Die Steigerung von 180 000 IPTV-Kunden imDezember 2007 auf 240 000 Ende März 2008 mache ein Plus von 33 Prozent aus,sagte BITKOM- Sprecher Christian Hallerberg. Einer Umfrage zufolge könnten sichrund 40 Prozent der deutschen Nutzer vorstellen, über das Internet fernzusehen.