Korruption: Neue deutsche Sauberkeit

Nach den erschütternden Korruptionsskandalen beginnt in den Konzernen nun das große Aufräumen.

Düsseldorf. Es geht um Bordell-Besuche und Luxusreisen, um kleine Gefälligkeiten und das ganz große Geld. Wer die jüngsten Skandale verfolgt, gewinnt den Eindruck: Unsere Wirtschaft läuft (wie) geschmiert, Sündenpfuhl Deutschland versinkt in Wirtschaftskriminalität.

Dabei gerät nicht nur die geschmähte Kaste der Manager ins Zwielicht. Abteilungsleiter und Kommunalpolitiker, Ärzte und Beamte, Gewerkschaftsbosse und Betriebsräte - die Spur der Absahner führt durch viele Berufsgruppen.

Nahezu unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit hat allerdings nach den großen Skandalen das große Aufräumen begonnen. Der überführte Korruptions-Täter Siemens etwa baut wie die meisten anderen deutschen Unternehmen seine Kontroll- und Überwachungsinstanzen massiv aus; 490 Moralwächter sollen von Oktober an die Spielregeln überwachen, im Jahr 2006 waren es nur 86. Eine wahre Teufelsaustreibung in Sachen Bestechung, wobei es auch um kleine Gefälligkeiten geht, die sich in der rechtlichen Grauzone bewegen.

Nach aktuellen Umfragen erweitern drei Viertel aller Unternehmen und Behörden ihre Antikorruptions-Abteilungen. Dabei dient die neue Moral auch den Bilanzen: Zwar profitieren von Schmiergeldzahlungen zunächst die unmittelbar Beteiligten, doch ihre Arbeitgeber zählen häufig zu den Geschädigten: eine Fabrik, die ein schlechtes Maschinenteil zu überhöhten Preisen erhält, die Stadt, die viel Geld für eine überdimensionierte Müllverbrennungsanlage berappen muss. Eine Firma, die als Verlierer eines Schmiergeld-Prozesses Strafe zu zahlen hat.

Dabei haben viele Firmen die Daumenschrauben kräftig angezogen. Auf allen Hierarchieebenen gilt die Faustregel: Bei Zuwendungen im Wert von 40 Euro und mehr hört der Spaß auf - schon die Annahme von Konzert-Karten oder edlen Weinen wird zum Kündigungsgrund.

Auch die Gerichte erhöhen den Druck: Noch vor einer Woche weitete der Bundesgerichtshof die Strafbarkeit der Korruption aus, indem er bereits das Führen "schwarzer Kassen" als Untreue gegen ein Unternehmen wertete - so können Mitarbeiter schon im Vorfeld von Schmiergeldzahlungen überführt werden.

"Korruption ist das Haupthindernis für die demokratische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Welt", sagt Peter Eigen, Gründer der Antikorruptionsorganisation Transparency International.

Dass Korruption auch in der Wirtschaft moderner Industriestaaten ein Faktum ist, daran zweifelt auch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn nicht. Jährlich kauft sein Konzern Waren und Dienstleistungen für neunMilliarden Euro ein. "Natürlich gibt es da immer auch Menschen, die der Ansicht sind, dass sie cleverer sind als das System."

Die Bahn AG hat deshalb kürzlich den 59-jährigen Wolfgang Schaupensteiner zum Chef ihrer Antikorruptions-Abteilung ernannt, der als Frankfurter Oberstaatsanwaltschaft in den 80er und 90er Jahren Jagd auf Schmierer und Geschmierte machte.

Doch auch die neue Sauberwelle wird nicht gewährleisten, dass der Exportweltmeister mit reiner Weste dasteht. Derzeit schwächelt die globale Wirtschaft - und der Wettbewerbsdruck auf dem weltweiten Basar wächst. Bezeichnend ist das Ergebnis einer Umfrage der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers: 71 Prozent von über 1000 befragten deutschen Firmen ist in China schon einmal ein Auftrag durch die Lappen gegangen, weil sie kein Schmiergeld bezahlten.