Discount-Apotheke vor Gericht

Verbände wollen preisgünstigere Pharma-Ketten in Deutschland verdrängen.

Luxemburg. Viele Vertreter der Pharma-Lobby und Apotheker-Verbände waren schon am Vortag angereist, um sich den Europäischen Gerichtshof anzusehen und die Stimmungslage auszuloten. Als die Richter gestern Morgen das Verfahren eröffneten, war der Große Saal bis auf den letzten Platz gefüllt - ein Andrang, den das höchste EU-Gericht selten erlebt hat.

Tatsächlich steht für die Apotheker viel auf dem Spiel. Seit gestern befasst sich der Gerichtshof mit dem Fremdbesitzverbot in Deutschland, das Ketten verhindert und für hohe Preise in der Branche verantwortlich gemacht wird. Die Richter müssen klären, ob auch Kapitalgesellschaften Apotheken besitzen dürfen.

Hintergrund ist der Streit um eine Niederlassung der niederländischen Versandapotheke DocMorris im Saarland - das Land hatte dem Unternehmen eine Betriebserlaubnis erteilt, weil das Fremdbesitzverbot seiner Ansicht nach gegen die Niederlassungsfreiheit in der EU verstößt. Dagegen hatten Apotheker geklagt.

Gestern trugen die Anwälte der Parteien ihre Positionen den Richtern der großen Kammer vor. Laut Apothekerkammer des Saarlandes sind Kapitalgesellschaften anfälliger für "unrechtmäßiges Gewinnstreben" als Apotheker. Ihr Ziel sei es unter anderem, so viele Medikamente wie möglich zu verkaufen.

Jeder zweite Apotheker in Deutschland arbeite inzwischen als Angestellter, hält Anwalt Holger Kröninger entgegen, der das Saarland vor dem Gerichtshof vertritt. "Sie beraten ihre Kunden nicht schlechter als Eigentümer."

Rückendeckung bekommen das kleine Bundesland und DocMorris auch von der EU-Kommission, die bereits wettbewerbsrechtliche Untersuchungen der Pharmamärkte in Italien, Spanien, Österreich und Portugal eingeleitet hat und sich grundsätzlich für eine Liberalisierung der Märkte ausspricht.

In 14 Mitgliedstaaten gibt es kein Fremdbesitzverbot. EU-Jurist Hannes Krämer machte vor Gericht deutlich, dass er dieses Verbot für völlig unangemessen hält. Nach der mündlichen Verhandlung folgt nun in drei Monaten die Stellungnahme des Generalanwalts. Mit einem Urteil ist erst im nächsten Jahr zu rechnen.