Unternehmerchef Arndt Kirchhoff zerrupft Koalitionsvertrag
Trotz Kritik hofft Arndt Kirchhoff auf ein Ja der SPD-Basis beim Mitgliederentscheid. Es dürfe keine weitere Zeit verloren werden.
Düsseldorf. Bei der Bewertung des Koalitionsvertrags von Union und SPD für eine große Koalition findet Arndt Kirchhoff kaum Lob. Vor Journalisten in Düsseldorf kritisiert der Präsident der Unternehmensverbände NRW, in wirtschaftliche guten Zeiten werde so getan, als sei Deutschland unverwundbar. Was angesichts der „nicht schlafenden Konkurrenz“ in China oder den USA gefährlich sei. So schaffe etwa US-Präsident Donald Trump durch seine Steuerpolitik Investitionsanreize, was sich auf absehbare Zeit in geringerem Investment hierzulande auswirken könne.
„Im Erfolg machen die Menschen die größten Fehler“, zitiert Kirchhoff den einstigen Deutsch-Bank-Chef Alfred Herrhausen. Und meint damit, dass die möglichen Regierungsparteien mit ihrem Koalitionsvertrag das Verteilen vor das Erwirtschaften stellten. Dabei müsse die Reihenfolge gerade umgekehrt sein. Der Koalitionsvertrag zeige eine „eindeutige Schieflage zugunsten immer höherer sozialer Standards und zu Lasten der Unternehmen“. Neue Wohltaten in der Renten- und Krankenversicherung seien ungedeckte Wechsel auf die Zukunft, die langfristig zu Lasten der jungen Generation gingen.
Auch würden „schräge Debatten“ über eine vermeintlich tiefe Spaltung der Gesellschaft, über angebliche Gerechtigkeitslücken oder Altersarmut geführt. Es werde so getan, „als lebten wir im Mutterland der sozialen Ungerechtigkeit“, was einfach nicht stimme. Politiker glaubten zu Unrecht, den Respekt des Wählers zu gewinnen, indem sie ungebremst Geschenke verteilten. Auch wenn derzeit viel Geld da sei, sei solch kurzfristiges Denken doch fatal.
Der aus der Sicht Kirchhoffs letzte Politiker, der zukunftsorientiert entschieden habe, sei SPD-Kanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 gewesen. Deren Reformdividende sei mit dem Koalitionsvertrag nun endgültig aufgebraucht.
Wäre es Kirchhoff angesichts all dieser Kritiksalve denn nun lieber, wenn die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag ablehnen und es dann nicht zur Groko kommt? So weit will er denn doch nicht gehen. Im Gegenteil, der Chef eines Sauerländer Autozulieferers appelliert sogar an die SPD-Basis, zuzustimmen. „Es sind genügend SPD-Forderungen im Koalitionsvertrag wiederzufinden. Ich weiß nicht, ob die SPD bei einer Neuwahl noch jemals so viel Einfluss bekommt, wie sie ihn jetzt hat.“ Da müsse man sich doch nur die jüngsten Umfragewerte ansehen, wonach die SPD in der Wählergunst stark abrutscht.
Wichtig sei, so Kirchhoff, dass es jetzt schnell zu einer handlungsfähigen Regierung kommt. Es dürfe keine Zeit mehr verloren werden. Bei der Diskussion um wichtige Themen sitze Deutschland mit seiner nur geschäftsführenden Regierung derzeit nicht mit am Tisch. Beim Brexit, der nicht bewältigten EU-Finanzkrise und beim Thema Flüchtlinge.
Für Nordrhein-Westfalen sieht Kirchhoff einige Lichtblicke. Dabei lobt er sowohl Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) als auch den SPD-Chef Michael Groschek, die sich in Berlin in Sachen Energiepolitik ins Zeug gelegt hätten. Das Industrieland NRW sei nun mal auf eine unterbrechungsfreie Stromversorgung angewiesen, und damit auch auf die Grundlast aus der Braunkohle. Der schwarz-gelben Landesregierung bescheinigt er einen guten Start. Bisher seien aber nur die „low hanging fruits“, die leicht erreichbaren, tief hängenden Früchte, gepflückt worden. Nun müssten dickere Bretter gebohrt, überzogene Umweltregulierungen zurückgefahren und eine effektive Industriepolitik gemacht werden. Wozu das schnellere Ausweisen von Gewerbeflächen und eine Reparatur der Infrastruktur gehöre. Und die schnellere digitale Netzanbindung auch ländlicher Räume.