Lexus NX: Böse Miene zum guten Spiel
Berlin (dpa-infocom) - Er sieht aus, als würde er zum Frühstück Kleinwagen verspeisen und das CO2 in Kilopaketen aus dem Auspuff werfen. Doch der Lexus NX macht nur böse Miene zum guten Spiel. Denn im Grunde seines Herzens ist der japanische Kompaktkraxler ein Grüner.
Lexus kommt spät, aber gewaltig. Die noble Toyota-Tochter springt mit dem neuen NX Mitte Oktober zu Preisen ab knapp 40 000 Euro als eine der letzten Premium-Marken auf den Trend zum kompakten Geländewagen auf. Dabei buhlt sie mit einem besonders markanten Design um die nötige Aufmerksamkeit: Ein weit aufgerissener Kühlergrill, schmale LED-Schlitze für die Scheinwerfer, zackige Falze auf den Flanken und ein messerscharfes Heck stempeln den Nachzügler zum Bösewicht auf der Buckelpiste und lassen Konkurrenten wie den BMW X3 oder den Porsche Macan vergleichsweise brav aussehen.
Mit grünem Gewissen
Lexus provoziert damit nur die Konkurrenten, nicht die Klimaschützer. Obwohl der 4,63 Meter lange Fünfsitzer aussieht wie ein Supersportwagen, der um die Ozonschicht fürchten lässt, ist das SUV eigentlich ein Saubermann. Nicht umsonst setzen die Japaner auch in dieser Baureihe erst einmal ausschließlich auf den Hybridantrieb. Zwar soll es später auch einen Zweiliter-Turbo mit 175 kW/238 PS geben. Doch starten wird der Geländewagen als NX300h mit elektrischer Unterstützung: Ein E-Motor und bei der Version mit Allradantrieb sogar zwei E-Motoren stehen dem 2,5 Liter großen Benziner zur Seite.
Sie helfen beim Ampelsprint oder im Gelände, ermöglichen mit sanftem Gasfuß ein paar Meter rein elektrische Fahrt und drücken den Verbrauch auf vorbildliche 5,0 Liter (CO2-Ausstoß 116 g/km). Manche Diesel brauchen mehr. Dafür nehmen die Japaner deutliche Einbußen bei der Fahrdynamik in Kauf. Bei einer Systemleistung von 145 kW/197 PS ist das Spurtvermögen jenseits der Stadtgrenzen mäßig, so dass bis Tempo 100 immerhin 9,2 Sekunden vergehen. Das stufenlose Automatikgetriebe zwingt den Benziner unter Last in nervig hohe Drehzahlbereiche. Die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h ist zumindest für den deutschen Markt inakzeptabel. Selbst mit dem kleinsten Diesel zieht die Konkurrenz den Japanern locker davon.
Für eine Karriere als Sportler bestens geeignet
Dabei hätte der NX durchaus das Zeug zu mehr: Die Karosserie extrem steif, das Gewicht mit 1,7 Tonnen für einen Hybriden relativ niedrig, Fahrwerk und Lenkung auf Knopfdruck verstellbar und sogar neu programmierte Instrumente für den Sportmodus - damit könnte sich der NX durchaus rasant in die Kurven werfen und wacker die Überholspur verteidigen.
Beim Antritt haben die Japanern den NX eingebremst, doch bei Ambiente und Ausstattung gehen sie dafür in die Vollen. Deshalb gibt es für den NX so ziemlich alles, was gut und teuer ist - vom Head-Up-Display über das Touchpad zur Bedienung des großen Multimedia-Monitors in der zackigen Mittelkonsole oder die 360-Grad-Kamera-Überwachung bis hin zur induktiven Ladeschale für das Smartphone. Und garniert wird das ganze mit jeder Menge Lack und Leder und Hölzern, die so aufwändig veredelt werden wie sonst nur bei Konzertflügeln.
Auch in der zweiten Reihe gut aufgehoben
Was noch auffällt bei der Jungfernfahrt, ist der buchstäbliche Hintersinn der Entwickler. Selbst wenn das Cockpit den gegenteiligen Eindruck vermittelt, haben sie den NX nicht allein um den Fahrer herum gebaut. Sondern Lexus hat auch an die Gäste im Fond und das Gepäck gedacht: Obwohl der Geländewagen 4,63 Meter kurz ist, der Radstand nur 2,66 Meter misst und das Dach in einer sportlichen Linie früh abfällt, sitzt man auf der Rückbank überraschend gut.
Darüber hinaus bietet der Lexus neben einer elektrischen Heckklappe als erster in seinem Segment auch eine elektrisch umklappbare Rückbank. Mit einem Knopfdruck kann man so auch vom Lenkrad aus den Stauraum von 555 auf bis zu 1600 Liter vergrößern. Dabei helfen auch die neuen Hybrid-Akkus: Weil die jetzt halbiert und unter den Sitzpolstern montiert wurden, bietet der NX nun auch ein zweites Gepäckfach im Unterboden des Kofferraums.
Fazit: Viel Design, wenig Dynamik
Er sieht schnittig aus und ist längst nicht mehr so gesichtslos wie die anderen Lexus-Modelle. Das Ambiente ist vornehm, die Ausstattung auf der Höhe der Zeit und der Hybridantrieb ist gut fürs Gewissen. Selbst der Preis geht in Ordnung. Eigentlich hat der neue NX damit alles, was es zu einem echten Erfolgsmodell braucht. Selbst wenn Lexus ein bisschen spät dran ist. Nur bei der Dynamik müssen die Japaner nachlegen, zum Beispiel mit einem echten Muskel-Modell. Damit passen die Fahrleistungen auch zum sportlichen Design. Sonst fahren sie der Konkurrenz mit ihrer freiwilligen Selbstbeschränkung auch weiterhin hinterher.
Datenblatt: LexusNX300h
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke