"Gott des Gemetzels": Vom heimlichen Hass unter Ehepaaren

Das Stück „Gott des Gemetzels“ feiert Premiere in Wuppertal.

<span style="font-weight: bold;">Wuppertal. Wenn das Innerste nach außen gekehrt wird, kann das daneben gehen. Hier trifft es einen unschuldigen Bildband. Denn Annette (Julia Wolff) übergibt sich da, wo man es besser nicht tut - in der Nähe kostbarer Bücher. Dass sich Véronique (An Kuohn) deshalb mehr um ihr Inventar als um die Gesundheit ihres Gastes sorgt, ist bezeichnend für eine Gesellschaft, in der vieles im Eimer ist - und damit ist nicht nur der Mageninhalt übel gelaunter Moralapostel gemeint. Bestens aufgelegt war dafür das Premierenpublikum in Wuppertal. Kein Wunder: "Der Gott des Gemetzels" ist der Renner der Saison - und nun auch im Schauspielhaus angekommen. Dass das jüngste Stück von Yasmina Reza als poetische Zimmerschlacht überzeugt, liegt nicht zuletzt an der Kulisse: Die Bühne von Thomas Lorenz-Herting ragt so spitz und geschickt in den Saal, dass die Zuschauer im besten Wortsinn ganz nah dran sind. Auch verbal treiben es vier Protagonisten auf die Spitze: Weil sich ihre Söhne geprügelt haben und der kleine Bruno jetzt zwei neue Schneidezähne braucht, sitzen zwei Paare auf türkisfarbenen Sofas, um beim Täter-Opfer-Ausgleich Farbe zu bekennen. Was mit (gespielter) Höflichkeit beginnt, endet in (verbaler) Zerfleischung.

Warum knallt bloß keiner mit den Türen oder haut ab?

Hanfried Schüttler setzt das Kammerspiel in Szene - mit spritzigen Wortgefechten, gezielten Schweige-Momenten undidealer Besetzung. Sehr schnell vergisst Michel (Andreas Ramstein) die Manieren. Der rücksichtslose Anwalt vertilgt Kuchen mit bloßen Händen, trinkt Rum aus der Flasche und schätzt eine Frau wegen der Hormone. Seine eigene gibt Julia Wolff als Muttertier mit viel Gefühl - aber auch mit Kostüm, Sonnenbrille und Geschäftsambitionen. An Kuohn ist ein trefflicher Gegenpart: Véronique hält sich für die heilige Johanna der Kindererziehung. Die kultivierte Kunstfreundin sorgt sich um das Wohl Afrikas, nur ihr eigener Mann bleibt ihr fremd. Dabei ist der scheinbare Weichling der interessanteste Charakter: Michel (Andreas Möckel) entpuppt sich als Choleriker, der den Hamster seiner Kinder auf die Straße setzt.

Je mehr Masken fallen, desto absurder wird’s. Bleibt die Frage, weshalb keiner einen Ausweg sucht, mit Türen knallt oder geht. Vielleicht, weil allen eines dämmert: Die Gewalt der Söhne ist kein Kinderspiel - sie spiegelt die Aggressionen der Erwachsenen.

90 Minuten, eine Pause, Auff.: 19.4., 19.30 Uhr, 4.5., 18 Uhr, Karten: 0202/569 4444.