Tanzhaus NRW: Das „Schachbrettzimmer“ ist ein Augenschmaus

Düsseldorf. Choreograf Ben J. Riepe eröffnet seine Serie „Aktion: Üben Schönheit zu sehen“.

Düsseldorf. Die beiden Könige, der blaue und der rote, sind um Contenance bemüht. Die Oberkörper steif vor Würde, schieben sie sich mit langen Schritten über den Boden mit Schachbrettmuster. Ihre Knie aber sind skurril gebeugt, als wollten sie lieber nicht gesehen werden.

Im "Schachbrettzimmer" ist die Personage matt gesetzt, kaum, dass das Spiel beginnt. "Liebe, Tod und Teufel, Aktion: Üben Schönheit zu sehen" benennt der hoffnungsvolle Nachwuchschoreograf Ben J. Riepe seine fünfteilige Tanzperformance-Serie, die innerhalb eines Jahres an verschiedenen Orten entstehen soll.

Das erste Bild "Das Schachbrettzimmer" ist in der Tat ein Augenschmaus. Anna Kleihues hat bei der Uraufführung im Tanzhaus NRW die Bühne in einen stilvollen Raum verwandelt, Majestäten und einen Musiker in elisabethanische Kostüme gesteckt. Nur ist Schönheit vergänglich und das Schicksal der Königsfamilie beklagenswert.

Ben J. Riepe ist ein kühler Ästhet. Er konstruiert eine entrückte Kunstwelt, deren Glanz zunächst in ihren Bann zieht, um sie dann zu demontieren und seine beiden Tänzer und Schauspieler in absurden Situationen zu demaskieren. Ein bisschen Ionesco, ein bisschen Shakespeare, ein bisschen Gespensterstunde.

Eine Dame in Pink, ein Art Prinzessin Lillifee, stöckelt herbei, zerdeppert ein Porzellangefäß und entledigt sich ihres Oberteils. Später bringt sie die beiden Könige und eine Königinmutter in Pose, als wäre sie eine Portraitmalerin.

Solche Szenen arrangiert Riepe mit einer spannungsvollen Präzision, als ginge es um dramatische Höhepunkte. Davon allerdings gibt es bei dem Folkwangabsolventen wenige, Riepe kokettiert lieber mit kaltem Humor. Distanziert lässt er seine stolzen Spiel-Figuren Würde und Haltung verlieren, bis beispielsweise der rote König (Evgeny Pankratov) unterm Tisch liegt und mit unwirklicher Stimme ruft: "Wo ist mein Königreich?"

Der blaue König empfiehlt sich als Kenner der deutschen Fäkalsprache, die Königinmutter lässt per Megaphon verlauten "Ich habe keine Angst vor dem Tod" oder säuselt "Muschikuschi" hinein, der Musiker, ausgestattet mit Konzert- und E-Gitarre, haucht unheimliche Geräusche ins Mikrofon.

Der Tanz konzentriert sich in dieser surrealen Atmosphäre auf kleine, manierierte Figuren. So wirkt ein plötzlicher, gemeinsamer Sprung auf der Stelle aus der vierten Position wie ein grinsender Kommentar des Choreografen. Keine Frage, Ben J. Riepe weiß, Atmosphäre zu erzeugen, das hat der Folkwangabsolvent bei VA Wölfl gelernt, bei dem er u.a. getanzt hat.

Und der formverliebte Künstler versteht es genauso, Kunst zu behaupten. So ehrgeizig das fünfteilige Projekt mit dem komplizierten Titel daherkommt, so inhaltsleer, so chaotisch sind doch weite Phasen des "Schachbrettzimmers". Schönheit ist eben nicht alles.

Heute gibt es im Rahmen der Nacht der Museen ein Riepe-Special im Tanzhaus NRW.