Akribisch gepinselte Oberflächen

Das Ludwig-Forum in Aachen feiert den Hyper-Realismus.

Aachen. Die eindrucksvolle Kunstsammlung des Aachener Sammlerpaares Irene und Peter Ludwig hat dazu beigetragen, dass schon früh nicht nur die Pop Art, sondern auch der amerikanische Fotorealismus in Deutschland und Europa wahrgenommen wurde. In Kooperation mit den Ludwig-Sammlungen in Wien und Budapest feiert das Aachener Ludwig-Forum mit der Ausstellung „Hyper Real“ nun sein 20-jähriges Bestehen.

Dazu haben die drei Häuser ihre Sammlungsbestände des Fotorealismus und der Pop Art zu je eigenen Schwerpunktthemen zusammengestellt. In Aachen sind die Kunstwerke durch zahlreiche Plakate und Bücher, Filme und Musik in den Kontext der 70er Jahre der USA eingebettet.

Als sich die Fotografie in den 60er und 70er Jahren als künstlerisches Medium der Weltwiedergabe etabliert hatte und immer brillanter wurde, begann die Malerei mit ihr in einen Wettstreit zu treten. Die spiegelglatten Oberflächen der Konsumgüter eigneten sich besonders gut für die Fingerübungen der Foto- oder Hyperrealisten — und die Wiedergabe eines Lebensgefühls.

Hier scheint die politische und gesellschaftskritische Haltung der 68er, die sich in der Kunst niedergeschlagen hatte, vergessen zu sein.

Man sieht auf Hochglanz polierte Radkappen, chromglänzende Wohnwagen, verglaste Hochhaus-Fassaden und Wälder aus Leuchtreklamen, die Don Eddy, Ralph Gopings, Richard Estes und Kollegen in obsessiver Leidenschaft und Akribie auf die Leinwand pinselten.

Spiegelungen spiegeln sich in Spiegelungen — und der Betrachter ist auf einmal in der Lage, simultan mehrere räumlich getrennte Ereignisse zu sehen. Aber — so wurde bald kritisch gefragt — sind die stromlinienförmigen Wohnwagen und reflektierenden Fensterscheiben tatsächlich mehr als eine oberflächliche, wenngleich brillante Feier malerischer Fingerfertigkeit?

Neben den hypergegenständlichen Gemälden sind daher in Aachen auch viele andere Arbeiten zu sehen, die deutlich machen, wie vielfältig und widersprüchlich die künstlerischen Realismen sein konnten.

Duane Hansons Skulptur von drei Obdachlosen („Bowery Derelicts“, 1969/70) ist ein prägnantes Beispiel dafür, dass der realistische Blick auch dokumentarisch und sozialkritisch sein kann. Hier glänzen keine Oberflächen, eher starren sie vor Schmutz. Dieser Blick auf Amerika ist auch realistisch, aber nüchtern.