Ausstellung in der Bundeskunsthalle: Pawel Tretjakow sammelte 2000 Werke

Die Bundeskunsthalle zeigt Schätze aus der riesigen Sammlung von Pawel Tretjakow. "Russlands Seele" zeigt 150 Gemälde, Ikonen und Zeichnungen aus dem russischen Kunstheiligtum.

Bonn. Es gibt Ausstellungen, die eine Schwärmerei für ein Land begründen können, das man nie gesehen hat - "Russlands Seele" in der Bonner Kunsthalle ist eine solche Ausstellung. Wer sie besucht und daraufhin Russland bereist, kann wohl nur enttäuscht darüber sein, dass die Kuppeln in Wirklichkeit nicht so schön schimmern, die Bärte nicht so lang und gepflegt sind und das Leben nicht gar so tragisch ist wie auf den Bildern aus der Moskauer Tretjakow-Galerie. 150 teilweise erstmals im Ausland gezeigte Gemälde, Ikonen und Zeichnungen aus dem russischen Kunstheiligtum sind ab heute zu sehen.

Pawel Tretjakow (1832-1898) war ein Moskauer Kaufmann, der so unermesslich reich war, dass er mit 28 Jahren kurzerhand beschloss, ganz allein ein nationales Kunstmuseum aufzubauen. Bis zu seinem Tod sammelte er 2000 Werke - von allem nur das Beste. Wenn er auf dem russischen Kunstmarkt einkaufte, hatte er nur einen ernst zu nehmenden Konkurrenten, und das war - der Zar. Tretjakow schätzte vor allem die russischen Realisten, die durch eine wirklichkeitsgetreue Abbildung ihres Landes und seiner Gesellschaft politische und soziale Veränderungen zuwege bringen wollten.

Für den heutigen Betrachter ergeben sich so Einblicke in eine lang versunkene, exotische Welt - aber nicht wie auf alten Fotografien verschwommen und grau, sondern gestochen scharf, in leuchtenden Farben und im Breitbildformat. Wie durch große Fenster schaut man ins Russland des 19. Jahrhunderts.

Da ist die menschenleere Landschaft: Ein träge dahin fließender Strom unter einem perlmuttschimmernden Morgenhimmel. Kahle Bäume an einem diesigen Herbsttag. Ein überschwemmter Birkenwald. In den Dörfern dieser entlegenen Landstriche gibt es noch Schamanen, die bei einer Bauernhochzeit erscheinen und eine Abgabe einfordern können, da sie das junge Paar sonst verfluchen.

Und doch ändern sich die Zeiten auch hier: Eine greise Adelige wartet mit ihrer letzten Dienerin vor einem verfallenen Anwesen auf den Tod, die Füße noch auf ein purpurrotes Samtkissen gestützt. "Alles vorbei" heißt dieses Werk, das den Untergang des Adelsstandes symbolisiert.

Die russischen Maler dieser Zeit sind große Geschichtenerzähler. Sie blicken stolz zurück auf ihre Historie und lassen Kosaken mit Schnurrbärten so groß wie Türkensäbel auferstehen. Aber sie prangern auch die Schrecken der russischen Eroberungskriege in Turkmenistan an, halten detailgetreu einen Berg von Totenschädeln fest und verewigen die letzten Momente eines tödlich Verwundeten.

Ganz anders das Leben in den Metropolen: Schornsteine und Mietskasernen wachsen zwischen den schneebedeckten Kuppeln und Türmen empor. Mit abschätzigem Stolz blickt die in Pelz gehüllte schöne "Unbekannte" von Iwan Kramskoi aus ihrer Kutsche auf den Betrachter herab. "Das Gezücht der Großstädte" haben manche Zeitgenossen sie genannt und das Bild als Provokation empfunden.