Ausstellung: Zwei wunderbare Jahrgänge

Sieben Schmidt-Rottluff-Stipendiaten zeigen ihre Arbeiten in der Düsseldorfer Kunsthalle. Sie verbinden Anarchie und Poesie.

Düsseldorf. In der Düsseldorfer Kunsthalle ist die Hölle los. Man hat den Mantel noch nicht der Garderobe anvertraut, hört man schon brasilianische Rhythme, urwäldlerisches Gekreisch und das keuchende, kollernde Husten der Sambakugeln. Im fast völlig schwarzen Raum spielt sich auf sieben Filmstellwänden das von David Zink Yi aufgenommene und vor allem geschnittene Geschehen ab.

Gegenüber drohen die übermannshohen, bronzenen und ergo enorm schwergewichtigen "Berserker" von Stella Hamberg wie schrundige Monster aus Urzeiten. Wie Waldschrate scheinen sie Stämme, dicke Äste wofür auch immer mit sich herumzuschleppen, vielleicht auch als Waffen gegen mordlustige Tiere. Zu ihnen passt irgendwie das Menschengebrüll, das aus dem Flur hinter einer gusseisernen Rednertribüne hervordröhnt. Da zeigt ein Film, wie sich ein Politiker für seinen öffentlichen Auftritt vorbereitet, sich mental und mit den Händen in die zum Johlen instrumentalisierten Anhänger mischt. Irgendwie Amerika.

Dies alles hat fast zwanzig Jahre Tradition: Die Preisträger des berühmten Karl-Rottluff-Stipendiums stellen ihre Abschlussarbeiten seither stets in der Düsseldorfer Kunsthalle aus. Nun sind gleich zwei Jahrgänge präsent, aus dem Jahr 2004 Martin Kobe, Stefan Mauck und David Zink Yi, aus dem Jahr 2006 Stella Hamberg, René Lück, Clemens von Wedemeyer und Ralf Ziervogel.

Nun muss man sich nicht fürchten vor gleich sieben Namen, die vielleicht mehr verbindet, als man vorderhand ahnt. Und obwohl Klaus-Heinrich Kohrs von der Studienstiftung des Deutschen Volkes, dem Stipendiums-Partner, in deren Händen die Organisation liegt, gestern betont hat, man wolle auf keinen Fall mit den Ausstellungen die Künstler auf Trends verpflichten oder suche sie gar danach aus. Das verhindert im übrigen die Jury, die ausschließlich aus Künstlern besteht - die einzige Preisjury in Deutschland. Dennoch entdeckt man etwas alle Verbindendes: den dezidierten Sinn für Ironie und Ernst, Anarchie und Poesie sowie deren künstlerische Umsetzung.

Da ist zum Beispiel Stefan Mauck. Seine zwei Arbeiten sind einmal wandhohe, geheimnisvolle Satz- und Erzählungsbäume, deren Farbe beim Verästeln ins Changieren wandert. Nichts weiß man über sie, erfährt nicht ihr Woher, nicht ihr Wohin. Allein hieran wäre eine ganze Sprach- und Erkenntnisphilosophie zu entwickeln. An anderem Ort, gleich neben dem lärmigen Politikerauftritt, hat er die Wände mit den poetischsten Wandträumen beschenkt, die man sich denken kann, ganz stillen, gleichwohl witzig-lustigen Reliefs aus bemaltem Sperrholz, die ein wenig an Virnich erinnern. Hier verweilt man staunend über soviel Phantasie.

Im obersten Raum schließlich sind René Lück und Ralf Ziervogel vereinigt. Lücks Arbeiten, Gemälde und Skulpturen, könnte man fast tückisch nennen. Zunächst erinnert das gekenterte Schiff an Motive der Romantik, doch diese Assoziation wird hintertrieben durch die sich aufdrängende Ahnung von Naturkatastrophen und Raketengewalt.

Der Zeichner Ralf Ziervogel nimmt die Objekte seiner Umwandlungskunst seziererisch wie ein Chirurg unter die Lupe. Sarkastisch lotet er humanitäre Schmerzgrenzen ("Mamaterial") aus und lässt beim apokalyptischen Zirkus ("Endeneu") die Köpfe fliegen. Gute Jahrgänge!

Bis 20. April, di-sa 12-19 Uhr, sonn- und feiertags 11-18 Uhr, Katalog im Schuber, 21 Euro

Gründung: 1975 aus dem privaten Vermögen des Künstlers Karl Schmidt-Rottluff als echtes "Künstlerstipendium".

Geld: Seit 1977 wurden 2,6 Millionen Euro bereitgestellt. Seit 2008 hat das alle zwei Jahre vergebene Stipendium einen Wert von je 37000 Euro. Seit 2008 kommen Mittel der Marianne Ingenwerth-Stiftung im Stifterverband dazu.

Förderprogramm: Durchführung durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes.