„Beuys, Beuys, Beuys“ in Tel Aviv

Tel Aviv (dpa) - Die mumienartige Figur mit Riesendildo ist in blaue Plastikfolie gehüllt und liegt auf einer olivgrünen Militär-Tragbahre. Ein Arm ist abgerissen, der zweite über dem Ellenbogen abgeschnitten, und aus dem Kopf quillt eine helle schaumartige Masse.

Foto: dpa

Die bizarr anmutende Puppe des israelischen Künstlers Alon Andorn liegt im Zentrum der Tel Aviver Kunstgalerie „Contemporary by Golconda“ und ist dem deutschen Aktionskünstler Joseph Beuys (1921 - 1986) gewidmet.

Foto: dpa

Im Rahmen der Ausstellung „Beuys, Beuys, Beuys“ zeigen 75 Künstler bis Ende November ihre Werke. Sie ist auf sieben Galerien in Tel Aviv, Jerusalem und der Grenzstadt Sderot am Rande des Gazastreifens verteilt. Zu sehen sind Zeichnungen, Malereien, Skulpturen und Video-Kunst, die Beuys gewidmet sind oder an seine Werke erinnern.

Foto: dpa

„Beuys war der ausländische Künstler, der den größten Einfluss auf Israels Kunstszene hatte“, erklärt der israelische Galerist Ronald Fuhrer. Seine bahnbrechenden Werke hätten bei vielen Menschen in Israel einen Nerv getroffen. Erstaunlicherweise sorgten gerade Beuys Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg - ein Thema, das immer wieder in seinen Werken auftaucht - für Gemeinsamkeiten und Annäherungspunkte, sagt Fuhrer.

„Das berührt eine Seite bei einem Volk, das viel Erfahrung mit Kriegsleid hat“, erklärt der Galerist. „Beuys war in der Wehrmacht. Er befasste sich mit der Verletzung des Körpers und der Landschaft während des Kriegs.“

Das Thema körperliche Verletzung und Verletzbarkeit bestimmt auch das Werk des israelischen Künstlers Hadas Ophrat. Er steht in der Galerie neben einer Krücke, die symbolhaft in der Mitte eines schwarzen Kreidekreises hängt. „Für mich ist Beuys der wichtigste Künstler des 20. Jahrhunderts“, sagt der 64-Jährige. In seinen Werke gehe es um ewige Spannungsfelder wie Leben und Tod, Mensch und Tier, künstlich und natürlich.

„Aus der Sicht von Beuys sind während des Zweiten Weltkriegs schreckliche Dinge geschehen, die sich nie wiederholen dürfen“, sagt Fuhrer. „Er ist dafür eintreten, dass sich der Holocaust nie wiederholen darf. Er kam von der Seite der Besiegten, die ein schlechtes Gewissen haben.“ Mit seinem Einsatz dafür, dass die Schoah sich nie wiederholen dürfe, habe er ein gemeinsames Interesse mit Israel gehabt. „Das sorgte für eine Annäherung.“

Beuys' Einfluss begann Ende der 1960er Jahre, aber er dauert bis heute an. Seine Ideen und seine Kunst werden in israelischen Hochschulen und an kunstorientierten Gymnasien gelehrt. Die jüngste Künstlerin, die an der Ausstellung teilnimmt, ist die 18-jährige Lee Scoop, die gerade ihr Abitur an der Tel Aviver Kunstschule Thelma Yellin gemacht hat. Sie hat einen Kurzfilm im Stil der amerikanischen Sitcoms gedreht, in dem es um ein imaginäres Treffen zwischen ihr und Beuys geht. In „Dialog mit Joseph“ geht es unter anderem um die Idee von Beuys, dass jeder Mensch ein Künstler sei. „Seine Kunst hat mich gepackt“, erklärt die lebhafte junge Frau. „Ich wollte mit ihm reden und so auch anderen Menschen in meinem Alter einen neuen Zugang zu seiner Kunst verschaffen.“