Chef des Folkwang-Museums will mehr junge Leute

Essen (dpa) - Seit zwei Monaten leitet der Schweizer Tobia Bezzola das künstlerische Flaggschiff des Ruhrgebiets, das Museum Folkwang in Essen. Mit zeitgenössischer Kunst will er mehr junge Leute in das Museum locken.

Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur äußert er sich auch zur Schwierigkeit, ähnlich viele Besucher nach Essen zu holen wie in die großen Sammlungen in Berlin oder New York.

Das Museum Ludwig in Köln hat einen Schweizer Chef, das Museum Kunstpalast in Düsseldorf auch, und seit zwei Monaten leiten Sie das Museum Folkwang. Was ist das Geheimnis der Schweiz-Connection?

Bezzola: „Man ist in der Schweiz, weil sie so klein ist, immer sofort an der Grenze. Man ist automatisch gezwungen, international zu denken und vernetzt zu sein. In einer Kunstwelt, die heute international ist, ist das auch ein gewisser Konkurrenzvorteil. Deutschland ist ein großes Land mit einer großen Kunstszene. Da liegt es oft näher, dass die Kollegen zwischen München, Hamburg oder Berlin kooperieren und in eher nationalen Bezügen denken.“

Was sind Ihre Ziele für das Museum Folkwang?

Bezzola: „Es gab bisher viermal im Jahr drei Ausstellungen in den drei kleineren Räumen, das war vielleicht ein bisschen zu viel und zu klein. Wir werden die Kräfte anders bündeln und das Hauptaugenmerk auf den großen Saal legen. Dazu braucht man gewisse Formate.“

Was planen Sie konkret für den großen Saal?

Bezzola: „Wir bespielen ihn künftig dreimal im Jahr: eine zeitgenössische Ausstellung, eine zur Fotografie und nach Möglichkeit auch eine klassisch-moderne. In den anderen Räumen werden aus den Sammlungsbeständen Plakate, Fotografie und grafische Kunst gezeigt. Aber es wird nicht mehr alle drei Monate drei kleine Ausstellungen hier geben, so dass dann keine Luft mehr da ist, den großen Saal zu bespielen.“

Das Folkwang-Museum ist hierzulande vor allem für seine Blockbuster-Ausstellungen zur Klassischen Moderne bekannt. Wie wollen Sie dafür noch Sponsoren finden?

Bezzola: „Wir haben für die Ausstellung zu Japan nächstes Jahr Eon und sind für 2015 mit Sponsoren im Gespräch. Das Problem ist aber eher, dass man für solche Projekte heutzutage einen Planungshorizont von vier bis fünf Jahren braucht. Wenn man die Planungssicherheit nicht hat, wird das schwierig. Man kann nicht sagen: Wir machen in zwölf Monaten schnell eine Cézanne-Ausstellung. Wir müssen die Vereinbarungen mit den Sponsoren längerfristig schließen können, sonst wird es schwieriger, Ausstellungen auf höchstem Niveau zu machen. Man muss diese Bilder ja auch langfristig anmelden und buchen, denn die Konkurrenz ist groß.“

Warum zögern die Sponsoren?

Bezzola: „Das ist schwierig. Das ist auch riskant. Man braucht auch ein Vorfinanzierungsbudget und Geld, damit die ersten Schritte für eine große Schau überhaupt in Gang zu setzen. Die Sponsoren wünschen sich auch Weltklasse-Ausstellungen. Aber das Problem ist die Zeit. Es braucht fünf Jahre für eine Weltklasse-Ausstellung, weil die Bilder einfach gebucht sind. Ich sehe das auch hier. Es werden schon jetzt bei uns im Haus die Gauguins und van Goghs für 2016/17 nachgefragt. Wenn man kürzerfristig operieren muss, dann muss man auf anderen Weiden grasen. Dann muss man auf ein Terrain gehen, wo die Vorlauffristen kürzer sind, also eher bei Nachkriegskunst oder zeitgenössischer Kunst.“

Wofür steht das Museum Folkwang denn in der Museumsszene eigentlich?

Bezzola: „Ich bin jetzt zwei Monate hier und bekam Kooperationsangebote vom Centre Pompidou in Paris und MoMa in New York für Fotografie. Ich bekam kein einziges interessantes Angebot für zeitgenössische Kunst. Folkwang ist international überhaupt nicht auf der Landkarte als interessantes Museum für zeitgenössische Kunst. Viele internationale Kollegen haben gemeint, ich gehe in ein Fotografie-Museum. Folkwang wird aber auch mit Recht eine der international ersten Adressen für Fotografie bleiben.“

Wollen Sie den Akzent des Folkwang in Richtung zeitgenössische Kunst verschieben?

Bezzola: „Das wird sich automatisch ergeben. Ich möchte gern auch Ausstellungen machen, die auch das Publikum ein bisschen verändern. Bei "Farbenrausch" war die Altersstruktur der Besucher etwas unausgewogen. Wir wollen uns bemühen, vermehrt jüngere Besucher ans Haus zu binden.“

Essen ist aber nicht Berlin.

Bezzola: „Das Problem haben Sie nicht in den großen Haupttouristenstädten wie Berlin oder New York. Hier ist es ja schon demografisch gegeben. Wir sind nicht im Herzen eines urbanen Zentrums, wo junge Leute sind. Wir müssen die Leute herholen.“

Ist die Sammlung des Folkwang denn nicht attraktiv?

Bezzola: „Sammlungen sind nur voll in Touristenstädten, in Florenz, Venedig, Paris, New York oder auch Dresden und München. Ich bemühe mich bei der Stadt Essen, die Sammlung jetzt einen Tag in der Woche gratis zu öffnen. Doch man darf sich keine Illusionen machen. Das Folkwang hat eine Weltklasse-Sammlung, aber es werden nicht 100 000 Menschen pro Jahr nach Essen pilgern, um sich die Sammlung anzusehen. Wenn dieses Haus mit dieser Sammlung in Berlin stehen würde, wäre es ein Selbstläufer. Die Leute würden durch die Drehkreuze durchrattern.“

Wie könnten die Ruhrkunstmuseen kooperieren?

Bezzola: „Ich bin nicht der Meinung, dass jetzt die Ruhrkunstmuseen ständig ihre Sammlungen untereinander austauschen müssen, das bringt nichts, aber dass sie gemeinsam Werbeauftritte nach außen machen, zum Beispiel bei der Messe in Basel oder der Biennale in Venedig. Nach außen muss man sich zusammenschließen, auch in der Region. Da finde ich die Kooperation mit Düsseldorf und Köln genauso wichtig wie mit Duisburg und Dortmund.“

Interview: Dorothea Hülsmeier und Florentine Dame, dpa