Deutsche Expressionisten erobern New York

New York (dpa) - Selbst die verwöhnte „New York Times“ ist begeistert: „Eine große Ausstellung und ein toller Verdienst um die Betrachtung der Moderne“, schrieb ein Kritiker der Zeitung über die neue Sonderschau des Museum of Modern Art (MoMA) in New York.

Das Museum zeigt bis zum 11. Juli hochklassige Werke deutscher Expressionisten und erklärt das Besondere der Kunstströmung sowie ihrer Entstehungszeit.

„German Expressionism: The Graphic Impulse“ konzentriert sich dabei mit rund 210 von 250 Exponaten auf die Bedeutung der Druckgrafik, die auch für die „kleinen Leute“ Anfang des 20. Jahrhunderts verständlich und bezahlbar war. Durch die den „grafischen Impuls“ der Vervielfältigung fand der Expressionismus neue Inhalte und ein neues Publikum.

Insbesondere während des Ersten Weltkriegs und in der inflationsgeschwächten Weimarer Republik kauften auch weniger Vermögende Holzschnitte, Lithografien und Radierungen als sichere und zugleich niveauvolle Anlageform. Andererseits wählten Künstler die Grafik, weil sie mit großen Auflagen eine sozialkritische Position einnehmen und auf gesellschaftliche Defizite hinweisen konnten: Armut, Verluste oder die vielen Selbstmorde von Rentnern, die ihre Pensionsfonds verloren hatten, sind häufige Motive, wie Käthe Kollwitzs Arbeiten eindrucksvoll zeigen.

Die expressionistischen Plakate aus den 1920er Jahren bilden vor allem politische Instabilität ab und warnen vor neuer Gewalt, wenn etwa linke Politiker am Laternenpfahl baumeln oder Arbeitslosigkeit als möglicher Untergang einer ganzen Nation dargestellt wird. Visionen, die auf den beginnenden Nationalsozialismus verweisen.

Die Ausstellung selbst teilt sich thematisch und zeitlich in mehrere Abteilungen. Die Arbeiten zeichnen chronologisch die Entstehungsgeschichte expressionistischer Ausdrucksmethoden sowie die Bedeutung abstrakter Formensprachen nach, was durch Lyrik und Originalkataloge von Erstausstellungen sinnvoll ergänzt wird.

Bei den verschiedenen Künstlervereinigungen werden vor allem die bekannten Maler und Bildhauer präsentiert: Für die 1905 in Dresden gegründete Künstlergruppe „Brücke“ werden so vorrangig Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Max Pechstein gezeigt. Leuchtende Holzschnitte, wie die „Badenden am Moritzsee“ von Kirchner, sind ebenso zu sehen wie selten ausgestellte Bilder von Heckel und seinen Gleichgesinnten.

Auch für die Gruppe „Blauer Reiter“ sind mit Wassily Kandinsky, August Macke, Heinrich Campendonk und vor allem Franz Marc mit seinen blauen Pferden durchweg die Prominenten der Münchner Vereinigung gewählt worden. Ein Saal geht daneben auf die großen Einflüsse der grafischen Produktivität österreichischer Maler ein, zu der Oskar Kokoschka und Egon Schiele auch durch ihre Händler und den Kunstmarkt angeregt wurden.

Beginnend bei den wilden Bade-, Tanz- und Erotik-Szenen vor dem Krieg steigert sich die Schau inhaltlich bis hin zur Darstellung von sozialem Elend und allgemeinem Kriegsleid. Dabei werden vor dem Hintergrund der bewegten deutschen Geschichte die wechselseitigen Einflüsse von Kunst, Politik und Gesellschaft erläutert.

Die Vielseitigkeit der deutschen Künstler belegt die große Spanne der gezeigten Themen. Denn es sind sowohl Emil Noldes „Schlepper im Hamburger Hafen“ sowie religiöse Themen als auch Otto Dix' fünfzigteiliger Kriegszyklus oder Szenen aus dem Berliner Nachtleben zu sehen. Die Ausstellung versteht die grafischen Werke jedoch unabhängig vom Bildinhalt stets als Kommunikationsmittel, das die Gefühlswelt der Künstler expressiv, teilweise auch mit kräftigen Farben, darstellt.

Kuratorin Starr Figura gelingt ein Gesamtkonzept, das die Bilder selbst sprechen lässt und sie nicht wie so oft ausschließlich biografisch erklärt. Auch die „New York Times“ fordert mehr davon, denn im Fundus des Museums sollen sich mehr als 3200 Werke deutscher Expressionisten befinden, die zum Teil bereits online zu bestaunen sind. Die Ausstellung scheint schon jetzt einer der New Yorker Kunsthöhepunkte des Jahres zu sein.