Installation in Chinatown Ein „Billigladen“: Kunst oder rassistische Provokation?
New York (dpa) - Verwahrloster kann man sich einen Warteraum kaum vorstellen: Ein paar Klappstühle, billige Lampenschirme, zwei nicht funktionierende Geldautomaten, grelles Licht einer Leuchtstoffröhre.
In einer Glasvitrine liegen Handyhüllen zum Verkauf aus und eine kleine Glückskatze, die nicht mehr winkt. Was wirkt wie ein heruntergekommenes Unternehmen im New Yorker Stadtteil Chinatown, ist die jüngste Installation des in Berlin lebenden Künstlers Omer Fast. Gegner laufen Sturm und sprechen von rassistischer Provokation.
Eigentlich war die noch bis Sonntag (29. Oktober) laufende Ausstellung des israelischen Videokünstlers seinem Film „August“ gewidmet. In dem 15-minütigen, düsteren Porträt des deutschen Fotografen August Sander wird dieser als fast erblindet gezeigt, wie er sich an seinen in Nazi-Gefangenschaft verstorbenen Sohn erinnert (der Film war bis März auch im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen). Doch mit dem umstrittenen Setting - Fast lässt den Film in einem Raum hinter dem fiktiven Kleinunternehmen laufen - hat die Show sich in einen Streit um kulturelle Identität und Gentrifizierung verwandelt.
Fast hat eigener Aussage zufolge nicht mehr getan, als die Fassade, die heute der James Cohan-Galerie gehört, in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. In einem Statement spricht er davon, die hohen Glasschaufenster und weißen Innenräume in einem „symbolischen und vorübergehenden Akt ausradiert“ zu haben. „Was macht uns authentisch oder angepasst? Reicht es, den äußeren Schein zu wahren? Wenn wir die Rolle spielen, werden wir in der Nachbarschaft dann mehr akzeptiert? In einem Dorf? In diesem Land?“
Es sind berechtigte Fragen, die Fast seinem Publikum auf radikale Weise unter die Nase reiben will. Doch indem er die aus China und anderen Teilen Asiens stammenden Bewohner Chinatowns auf Betreiber eines verlotterten Shops an der Ecke reduziert, begibt er sich auf Glatteis. Rund 50 Demonstranten versammelten sich im September zur Eröffnung der Ausstellung. „Das ist nicht meine Kultur“, steht auf einem Plakat, das jemand davor an eine Säule vor der Galerie geklebt hat, ein anderes verwendet das Stichwort #RacistGallery.
Die aus Taiwan stammende Kunststudentin Astrid Bai kann den Wirbel nicht nachvollziehen. Die Ladenfront mit gelber Markise und chinesischen Schriftzeichen mag man als Beleidigung empfinden. Der Künstler habe aber eine viel wichtigere, größere Botschaft, sagt die 28-Jährige: „Manchmal kann man das Unsichtbare nicht sehen.“ Und sie fragt: Wäre seine Aussage denn weniger rassistisch, wenn er den Laden edler und hochwertiger hätte aussehen lassen?
Liz Moy sieht einen deutlich größeren Affront: „Er hat visuelle Bedeutungsträger gewählt, dazu zählen Löcher und Dellen in der Wand, kaputte Möbel, kaputte Geldautomaten, Graffiti und ein Ort allgemeinen Schmutzes“, sagte die Angehörige die Chinatown Art Brigade dem TV-Sender NBC beim Protest. Im Laden selbst ist kaum noch zu trennen, ob etwa der vor Plastikbechern überlaufende Mülleimer in einer Ecke nun Teil der Installation ist - oder einfach Müll.
Fast gesteht ein, möglicherweise einen Schritt zu weit gegangen zu sein. „Es tut mir aufrichtig leid, dass einige Menschen die Installation als unsensibel oder beleidigend empfinden“, schreibt er. Aber dass Kritiker ihn bei Protesten als „kein US- und kein New Yorker Künstler“ brandmarken wollen, überrasche ihn. „Ich erwarte diese Beschreibung von Trollen des rechten Flügels, die Fackeln tragen und nach zu bauenden Mauern brüllen. Ich erwarte sie nicht von Aktivisten des linken Flügels in Lower Manhattan.“
Einige Besucher mag Fast empören - andere Menschen in Chinatown haben die Kränkung kaum wahrgenommen. „One Dollar, one Dollar!“, ruft ein asiatischer aussehender Obstverkäufer, der an der gegenüberliegenden Straßenseite Bananen auf einen Tisch aufgereiht hat. Wer ihn zu der Galerie und der Debatte in den Medien befragt, erntet nur ein Kopfschütteln. Der Mann spricht kein Englisch.