Kunstwelt uneins über angebliches Leonardo-Gemälde
New York (dpa) - Nach mehr als 100 Jahren ist möglicherweise wieder ein Gemälde von Leonardo da Vinci aufgetaucht. Bei dem in New York entdeckten Werk „Salvator Mundi“, das einen Christus mit zum Segen erhobener rechter Hand zeigt, soll es sich um eine verschollen geglaubte Arbeit des Universalgenies handeln.
Der New Yorker Galerist Robert Simon zog eigenen Angaben zufolge eine Reihe internationaler Experten zurate: Sie alle kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei „Salvator Mundi“ um das von Leonardo da Vinci gemalte Original handele, teilte Simon in Tuxedo Park bei New York mit.
Dagegen plädiert der deutsche Experte Frank Zöllner für weitere Untersuchungen des Gemäldes. Die Echtheit sei noch nicht vollständig geklärt. „Das Ganze ist eine sehr interessante Hypothese, und man wird sehen, ob sie Bestand hat“, sagte Zöllner der Nachrichtenagentur dpa. „Man muss das ergebnisoffen prüfen.“
Es wäre das erste Mal seit 1909, dass ein Bild von Leonardo auftaucht. Damals hatte ein Archivar die „Madonna Benois“ entdeckt, das Bild einer ungewöhnlich lachenden Madonna mit dem Kind auf dem Schoß. Leonardo da Vinci (1452-1519) gilt als einer der einflussreichsten Maler der Kunstgeschichte, seine „Mona Lisa“ im Pariser Louvre ist Umfragen zufolge das bekannteste Bild der Welt.
Was man ausschließen könne, sei eine Fälschung, sagte Zöllner. Es gehe um die Frage, ob der „Salvator Mundi“ (Weltenretter) ein Werk des Meisters selbst oder die hochklassige Kopie eines Schülers sei. Diese Frage zu klären, sei in höchstem Maße kompliziert, betonte der Leipziger Professor.
Die Finanzagentur Bloomberg gibt den Schätzwert des Bildes mit 200 Millionen Dollar (142 Millionen Euro) an. Simon bezeichnete diese Zahl aber gegenüber der dpa als „reine Spekulation“. „Der Wert ist ohnehin unermesslich und es steht sowieso nicht zum Verkauf.“
„Salvator Mundi“ soll im November in der National Gallery in London im Rahmen der Ausstellung „Leonardo da Vinci: Painter at the Court of Milan“ (9. November - 5. Februar 2012) gezeigt werden. Die Existenz des Leonardo-Gemäldes war seit langem bekannt, jedoch hielt man es für zerstört. Laut Simon ist die Echtheit aber bestätigt. „Lediglich bezüglich des Datums gehen die Meinungen auseinander, wobei einige das Werk den späten 1490er Jahren zuordnen, während es andere auf nach 1500 datieren.“
Allerdings gab es beim „Salvator Mundi“ Zweifel, ob das Bild wirklich von Leonardo ist. Das Bild gehörte laut Simon 1649 dem englischen König Karl I. und blieb lange Eigentum der Krone. Um 1900 sei die Spur des Bildes verloren gegangen. Es befindet sich jetzt im Privatbesitz eines amerikanischen Sammlers.
Zöllner sagte, die Beurteilung der Echtheit basiere vor allem auf Stilanalysen und auf technischen Untersuchungen. Stilistisch stelle sich in erster Linie die Frage, ob das Gesicht voll überzeuge. Schon anhand eines Fotos lasse sich erkennen, dass zum Beispiel die Segenshand außerordentlich genau modelliert und die Lichtführung sehr suggestiv sei. „Aber man müsste sich auch fragen, ob ein Gesicht mit einer so langen Nase denn nun unbedingt dem Perfektionismus Leonardos entspricht.“ Das alles seien Einschätzungsfragen, bei denen unterschiedliche Experten zu unterschiedlichen Schlüssen kommen könnten.