Menschenfreund mit eigenem Skulpturenpark

Tony Cragg wird am Donnerstag 60 Jahre alt. Ein Porträt des in Wuppertal lebenden Bildhauers.

Wuppertal. Tony Cragg wird am Donnerstag 60 Jahre alt. Er ist glücklich auf seinem Künstlerberg im Skulpturenpark Waldfrieden, 200 Meter über Wuppertal gelegen. Die Sternmagnolie steht in Blüte. Fünf Handwerker richten eine seiner Bronzen auf. "Alles Okay", schreit er und weiß längst, dass alles in Ordnung ist. Meistens fragt man sich allerdings, wie das möglich ist: Sein Arbeitseinsatz für die Kunst und die Kunstakademie ist ungeheuerlich.

Seit sechs Monaten kommt der Skulpturenpark Waldfrieden hinzu, ein 15 Hektar großes, einst verwildertes Gelände voller Steil- und Überhänge und dem denkmalgeschützten Haus Waldfrieden als neuer Kultur- und Begegnungsstätte. Und eine Stiftung hat er auch ins Leben gerufen. Soeben wurde ein Gelände hinzu gekauft.

In seiner Werkstatt beschäftigt Cragg 20 Mitarbeiter, die ihm beim "Potential der Dinge", wie er seine Kunst nennt, helfen. Er hat die Ideen, untersucht die Materialien, Ablagerungen. Er kreist sehend und schaffend um Fragen nach dem Verhältnis von Gegenstand und Mensch, Objekt und Leben. Welche Kraft lebt in der Materie, wie dringt sie nach innen oder nach außen? Welche Lebenswege verbinden Mensch und Objekt, Natur und Stadt?

Im Waldfrieden-Park ist nun Craggs eigene Kunst zu bewundern. Der Überblick beginnt mit "Minster", "Münster" (1988). Drei Türme sind aus kreisförmigen Zahnrädern, Antriebswellen, Reifen, Kühlern, Muffen, Radlagern und Abdeckplatten vom Schrottplatz entstanden. Abfall, mit Industrie-Lack gegen Rost geschützt, wird zur Landmarke.

Erstmals hat er aus dem Atelier kolossale Gips-Zähne geholt, die "Complete Omnivore", "Allesfresser" heißen. Fossilien von Frühmenschen interessieren den Bildhauer, weil man etwa aus Ur- Zähnen das Alter der Lebewesen und ihre Essensgewohnheiten ablesen kann. Ihn fasziniert die Idee, dass sich aus dem Material die Entwicklung des Menschen ablesen lässt. Immer spürt er den Anfängen der Körper nach. Mit "Forminifera" (1997), einer riesigen Gipsarbeit, erforscht er jene kleinen Lebewesen, die die ersten Wirbeltiere waren.

Bewundernswert sind die Außenskulpturen. Hier konkurriert die Kunst mit der Natur. Die "Wirbelsäule" (1996) erzielt ihre kreiselnde Bewegung durch das Quetschen und Drücken der Einzelteile. Cragg notiert über ihre Funktion: "Vier Mal in der Sekunde schickt das Gehirn seine Botschaft an die Wirbelsäule. Würde es das nicht tun, fielen wir einfach um."

Wer den Künstler nicht persönlich im Park antrifft, kann Cragg dennoch bewundern. "Diskussion" nennt sich eine Bronze am Wegesrand. Sie enthält zwei Gesichter, das rechte zeigt einen dicken Kopf, das linke eine schmale Silhouette. Der Dicke ist der österreichische Bildhauer und Freund Horst Baumüller. Der Dünne ist Tony Cragg, gut aussehend und leicht lächelnd.

Skulpturenpark Waldfrieden, Hirschstraße 12, Wuppertal. Geöffnet Di bis So 10-18 Uhr.

www.skulpturenpark- waldfrieden.de