Urheberrecht an alten Kunstwerken Fotos im Museum – ein rechtliches Risiko
Düsseldorf · Analyse Auch bei einem „gemeinfreien“ Kunstwerk kann der Museumsbesucher nicht durch ein Abfotografieren von dem abgelaufenen Urheberrecht profitieren – urteilt der Bundesgerichtshof.
„Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.“ Paragraph 64 des Urheberrechtsgesetzes ist da unmissverständlich. Das Werk ist dann „gemeinfrei“ und kann von jedermann insbesondere durch Weiterverbreitung genutzt werden. Man darf ein Foto von einem alten Gemälde machen und dieses Foto dann eigenständig verwerten. Ob im Internet, einem Buch oder sonstwie.
Das Problem: Ein gemeinfreies Werk hängt im Museum
Was aber gilt, wenn der „Alte Meister“ an einer Museumswand hängt? Und das Museum den Besuchern das Fotografieren verbietet und sich andererseits selbst Fotos für einen Katalog hat anfertigen lassen. Und sich dann auch gegen das Abfotografieren dieser Katalog-Fotos zur Wehr setzt. Wenn es mit dieser Strategie durchkäme, hieße das doch auch: Der Paragraph 64 des Urheberrechtsgesetzes und der dahinter stehende Sinn, dass nach 70 Jahren die Kunst gewissermaßen allen gehört, wäre ausgehebelt.
Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall
Diese Konstellation ist kein bloß theoretisches Problem. Der Fall ist nun auch höchstrichterlich entschieden worden und wird damit zum Maßstab anderer ähnlicher Streitigkeiten. Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte zugunsten eines Museums und damit mittelbar gegen die eigentlich vom Gesetz verlangte Gemeinfreiheit.
Der Fall: Ein für die Internet-Plattform Wikimedia arbeitender Mann hatte Gemälde und andere Objekte, die im Mannheimer Museum Reiss-Engelhorn ausgestellt waren, im Netz veröffentlicht. Bei all diesen Werken war die Schutzfrist von 70 Jahren abgelaufen. Zu den Abbildungen der Werke war er auf zwei Wegen gekommen. Zum einen hatte er eigenhändig entgegen einem Fotografierverbot in dem Museum Fotos der Kunstwerke gemacht. Zum anderen hatte er Fotos der Werke, die das Museum selbst hatte anfertigen lassen und in einem Katalog veröffentlicht hatte, eingescannt. Beides ließ sich das Museum nicht gefallen und verklagte den Mann auf Unterlassung und Schadensersatz. Zu Recht, wie der Bundesgerichtshof nun entschied (Az. I ZR 104/17).
Die Rechte des
Museums-Fotografen verletzt
Mit Blick auf die Fotos, die der Wikimedia-Mitarbeiter aus dem Katalog des Museums kopiert beziehungsweise eingescannt und dann hochgeladen hatte, urteilten die Richter: damit werde gegen das Recht des Fotografen verstoßen. Die Fotografie eines Kunstwerks genieße den sogenannten Lichtbildschutz. Die Fotografien seien nicht nur eine handwerklich simple Kopie, sondern der Fotograf der Kunstwerke habe Entscheidungen über eine Reihe von gestalterischen Umständen zu treffen und dabei Gesichtspunkte über Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme zu berücksichtigen. Damit werde durch die Fotos das für den Schutz nach dem Urheberrecht erforderliche Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung erreicht. Konsequenz: Auch wenn das Kunstwerk selbst gemeinfrei ist, gibt es auf diesem Weg doch wieder einen urheberrechtlichen Schutz.
Fotografierverbot im Museum verbietet auch die Verwertung
Aber auch die Fotos, die der Wikimedia-Mann selbst im Museum gemacht hatte, durfte er nicht verwerten. Denn mit dem Anfertigen der Bilder hatte er gegen das in dem Museum geltende Fotografierverbot verstoßen. Die entsprechende Vorschrift in der Benutzungsordnung und aushängende Piktogramme mit einem durchgestrichenen Fotoapparat seien wirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen, die jeder Besucher mit dem Kauf des Tickets akzeptiere, urteilte der BGH.
Schon im Fall von Schloss Sanssouci entschied der BGH so
Schon früher hatte der Bundesgerichtshof in seiner sogenannten Sanssouci-Rechtsprechung das Recht auf freie Fotografie eingeschränkt. Die Richter gaben 2010 und 2013 dem Eigentümer des Potsdamer Schlosses Recht, der eine gewerbliche Verwertung von Fotos der Gebäude und seiner Parkanlagen verboten hatte, sofern diese vom Grundstück aus selbst, also nicht von außen aus fotografiert wurden. Ein schon damals viel kritisiertes Urteil, das die sogenannte Panoramafreiheit einschränkte, wonach Gebäude und in der Öffentlichkeit installierte Kunstwerke grundsätzlich abgelichtet werden dürfen. Diese Panoramafreiheit bleibe gewahrt, argumentierte der BGH, weil ja weiterhin von außen, nur eben nicht vom Grundstück selbst aus fotografiert werden dürfe. Diese für unbewegliche Dinge (Parkanlage, Gebäude) geltende Rechtsprechung dehnte der BGH jetzt auf bewegliche Gegenstände – Kunstwerke im Museum – aus. Das Museum darf sowohl das Fotografieren als auch das Verbreiten der Fotos untersagen.
Die Reaktionen von Kläger und Beklagtem auf das Urteil
Wikimedia reagierte enttäuscht auf das Urteil vom Donnerstag. Wenn urheberrechtsfreies Kulturerbe mittels Fotorechten unter Verschluss gehalten werden könne, gebe es keine digitale Gemeinfreiheit. „Museen sollten alles daran setzen, Kunst und Kultur der vergangenen Jahrhunderte so leicht zugänglich zu machen wie möglich“, sagte der Leiter Politik & Recht bei Wikimedia, John Weitzmann.
Der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, Alfried Wieczorek, wies darauf hin, dass der Wikimedia-Autor auf Anfrage auch für bestimmte kommerzielle Zwecke die Fotografie-Erlaubnis hätte erhalten können. Sein Haus begegne Projekten wie Wikipedia durchaus mit Sympathie, aber: „Wir möchten selbst über das Ob und das Wie der öffentlichen Zugänglichmachung unserer Bestände entscheiden.“
Das Gemälde als bloßes Beiwerk – ein gangbarer Ausweg?
Da nun nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Weg der fotografischen Verwertung trotz der Gemeinfreiheit versperrt ist: Gäbe es den Ausweg, dass ein Museumsbesucher ein Bild von sich oder einer anderen Person aufnimmt – mit dem Kunstwerk im Hintergrund. Und dieses Foto dann selbst veröffentlicht?
Auf diese Idee könnte man kommen, wenn man den § 57 des Urheberrechtsgesetzes liest. Darin heißt es: „Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.“ Ein vier Jahre altes weiteres Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: I ZR 177/13) lässt aber auch diese Argumentation als nicht zielführend erscheinen.
In dem damals entschiedenen Fall hatte ein Künstler gegen einen Büromöbelhersteller geklagt. Dieser hatte in einem Prospekt das Foto seiner Produkte gezeigt. Ein Gemälde war im Hintergrund zu sehen. Der Künstler war damit nicht einverstanden und verklagte den Möbelhersteller. Mit Erfolg. Laut BGH kann von „Beiwerk“ und damit von einer erlaubnisfreien Veröffentlichung nur dann gesprochen werden, wenn „das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist. Wenn es also weggelassen werden könnte, ohne dass dies einem Betrachter auffiele“.
Ein Fotograf, der ja gerade ein Foto des Werkes veröffentlichen will und dies damit zu kaschieren versucht, dass er eine Person davor stellt, dürfte mit dieser Argumentation vor Gericht keinen Erfolg haben.