Wagners „Bluthundbaby“ - Meeses Hasstirade auf Bayreuth
München (dpa) - Zum Schluss versagt Jonathan Meese beinahe die Stimme. Er hat sich heiser gebrüllt, seine Beleidigungen mit Schaum vor dem Mund herausgeschrien.
Eigentlich wollte der als Skandalkünstler berühmt gewordene Provokateur beim Literaturfest München über die „Diktatur der Kunst“ sprechen. Das tut er auch. Vor allem aber nutzt er die Gelegenheit für eine Generalabrechnung mit den Bayreuther Festspielen, die ihn Anfang der Woche vom Grünen Hügel vertrieben.
Es sind regelrechte Hasstiraden, die er seinem Publikum entgegenschleudert und entgegenspuckt. Das Mikrofon ist irgendwann weiß von Speichelfäden. „Ihr seid Kunsthasser“, schreit er in Richtung Bayreuth. „Das ist alles Richard Wagners überhaupt nicht würdig.“
Eine Intrige gegen ihn sei gelaufen bei den Festspielen, er und sein Team seien „mies“ behandelt worden. „Das war vollkommen klar, dass sie mich loswerden wollten. Es ging nie um Geld.“ Hinter seiner Entlassung vermutet er politische Gründe. Das Wort „Kulturarschkriecher“ fällt nicht nur einmal. „Die Angst geht um, die Kulturangst, die sie gestreut haben.“
Meese sagt „Kunst ist das, was kommt. Kultur ist das, was geht“ und warnt vor einem Niedergang der Festspiele: „Hochkulturen sind immer untergegangen, weil sie zu selbstgerecht waren.“ Teile des Wagner-Clans, so meint er, „erleben gerade ihre Götterdämmerung“.
Die Bayreuther Festspiele hatten Meese, der eigentlich 2016 den „Parsifal“, die letzte Oper von Richard Wagner (1813-1883), auf dem Grünen Hügel inszenieren sollte, vor einer Woche vor die Tür gesetzt. Sein Konzept sei zu teuer, lautete die Begründung.
Wie am Freitag bekannt wurde, soll der Intendant des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden, Uwe Eric Laufenberg, Meese ersetzen. Laufenberg ist ein renommierter Opern-Regisseur und Festspiel-Chefin Katharina Wagner lobte sein Konzept: Es biete „eine ebenso anspruchsvolle wie theatral fesselnde Interpretation des Werks, die auch organisatorisch-technisch und finanziell realisierbar ist“.
Von „miesem, optimiertem Mittelmaß“ spricht dagegen Meese und findet noch sehr viel deutlichere Worte für Laufenberg - und vor allem auch für die Festspielleiterin. „Katharina Wagner ist der größte Feind der Kunst“ - das ist noch eine der vergleichsweise zurückhaltenden Äußerungen Meeses. „Wie will sie da noch die Chefin sein, wenn sie der Kunst Hausverbot erteilt hat?“
Er liebe Parsifal, sagt Meese - und reckt einmal mehr den Arm zum Hitlergruß. Das macht er bei seinen Performances öfter, deswegen stand er auch schon vor Gericht.
„Ich hab immer gedacht, da geht's noch ab“, erläutert er jetzt seine Enttäuschung über den Grünen Hügel. Ich hab das Radikale gesucht, aber ich habe es nicht gefunden.“ Seit 1945 habe es überhaupt keine starke Inszenierung mehr gegeben. „Die letzte starke Inszenierung war Hitler.“
Katharina Wagner wirft er die „Operettisierung, Musicalisierung“, das Weichspülen Richard Wagners vor, der eigentlich, wie Meese selbst, einen absolut radikalen Kunstbegriff gehabt habe. Wagner dürfe darum niemals weichgespült werden, fordert Meese, bezeichnet sich selbst als „Richard Wagners Bluthundbaby“ und verspricht: „Ich werde gerade der totalste Alptraum von Katharina Wagner.“