Wiederentdeckung des Informel-Künstlers Bernard Schultze
Köln (dpa) - Während die ZERO-Kunst der 60er Jahre boomt, steht die deutsche Informel-Kunst der 50er Jahre noch im Schatten der Aufmerksamkeit des Kunstmarktes.
Zum 100. Geburtstag von Bernard Schultze entdecken nun gleich drei Museen in Köln, Düsseldorf und Remagen (Rheinland-Pfalz) den Informel-Maler neu. Schultze (1915-2005), einer der führenden Protagonisten der abstrakten Nachkriegskunst, wäre am 31. Mai 100 Jahre alt geworden. Er starb vor zehn Jahren.
Bekannter noch als Schultze ist dessen Künstlerfreund Karl Otto Götz, mit dem er 1952 die Künstlergruppe Quadriga gegründet hatte. K.O. Götz lebt noch im hohen Alter von 101 Jahren im Westerwald. Anders als Götz, dessen dynamische schwarz-weißen Rakelbilder den Zeitgeschmack treffen, steht Schultzes farbgewaltiges und feinstrichiges Werk bisher eher etwas verloren da. Dass Schultze vor allem ein Meister der detailreichen Zeichnung und ein begnadeter Kolorist war, will eine Ausstellung im Museum Ludwig in Köln demonstrieren. Das Haus verfügt über einen Teil des Nachlasses von Schultze, dessen Wahlheimat Köln war.
Kurator Stephan Diederich, der auch Mitherausgeber des jetzt erschienenen Werkverzeichnisses Schultzes mit rund 3200 Gemälden und Skulpturen ist, konzentriert sich dabei auf das frühere Werk und die letzten beiden Schaffensjahrzehnte, in denen Schultze wieder zur Malerei zurückkehrte.
Ein kunsthistorischer Schatz sind die an den Surrealismus angelehnten figurativen Zeichnungen aus den 40er Jahren mit ihren zahlreichen Verweisen auf die von Schultze verehrte französische Lyrik. In den 50er Jahren entwickelte Schultze seinen Stil der feinen Striche, die zufällig im Irgendwo der Leinwand anfangen und dann ab einem bestimmten Punkt kontrolliert werden. Grundlage war die Devise des französischen Surrealisten André Breton, unter dem „Diktat des Unbewussten“ zu arbeiten. Die Leinwand lag auf dem Boden wie bei K.O. Götz und den amerikanischen abstrakten Expressionisten wie Jackson Pollock auch.
Schon in den 50er Jahren wuchern aus Schultzes Bildern in Farbbrei getränkte Tücher, Drähte, Stroh, Sand. „Schultze wollte die Malerei in die dritte Dimension überführen“, sagt Diederich. Die wuchernden phantastischen Mischwesen nannte Schultze später „Migofs“; sie wurden sein Markenzeichen.
„Schultze war aber auch ein großer Kolorist und Zeichner“, sagt Diederich. „Die ganze Energie floss in den Bleistift.“ In den mit feinsten Strichen gezeichneten abstrakten Bildern kann der Betrachter beim längeren Hinsehen so manche Figur erkennen. Schultze kombinierte auch Zeichnung und Malerei. Bis zu seinen letzten Lebensjahren malte er monumentale Farblandschaften, die den Betrachter magisch hineinziehen.
Während die ZERO-Kunst heute hoch gehandelt wird, wird Informel erst allmählich wieder sichtbarer. K.O. Götz bekam zu seinem 100. Geburtstag vergangenes Jahr große Museumsausstellungen. „Es ist an der Zeit, dass auch Schultze wiederentdeckt wird“, sagt der Münchner Auktionshauschef Robert Ketterer. Noch seien die Preise für Schultze auf dem Markt nicht hoch. Das könnte sich durch die Ausstellungen bald ändern.