Wilhelm Busch Museum in Hannover: Er war der Vater des

175. Geburtstag: Wilhelm Buschs Werk setzte Maßstäbe der Gesellschaftskritik. Es riss das Biedermeier aus der selbstgefälligen Behaglichkeit.

Düsseldorf. Wilhelm Busch muss die Menschen gemocht haben, obwohl er keine hohe Meinung von ihnen hatte. So gemocht, dass er in seinen Geschichten und Bildern immer wieder den Spiegel zückt, um ihn der Gesellschaft vorzuhalten und ihr die Heuchelei auszutreiben. In Wahrheit sind oder wären wir alle gern Lumpen und Taugenichtse, weil dies schöner und angenehmer ist, als rechtschaffen zu sein. "Ach, ich fühl es! Keine Tugend ist so recht nach meinem Sinn; stets befind’ ich mich am Wohlsten, wenn ich damit fertig bin", heißt es in der "Kritik des Herzens". Nur zugeben will das keiner.

"Max und Moritz" ist denn auch weniger eine moralische Geschichte mit dem Ziel, Kinder von dummen Streichen abzuhalten, sondern der Einbruch des Dämonischen und der Gewalt in die geschützten Wohnstuben der Biedermeier-Zeit. Und "Die fromme Helene" zeigt, dass Sünde und Laster schon längst in der "feinen Gesellschaft" angekommen sind. "Das Gute - dieser Satz steht fest - ist stets das Böse, was man läßt!" Wenn nur nicht die Versuchung überall lauerte.

Helene gibt der Versuchung des Alkohols nach und geht dabei in Flammen auf. Erstaunlich ist die Brutalität, die Busch in seinen Geschichten zu zeichnen bereit war. Menschen werden erschlagen, verbrennen oder explodieren samt Pfeife. Und "Max und Moritz" werden grausam von einer Mühle zermahlen und Müllers Federvieh zum Fraß vorgeworfen. Unvorstellbar. Doch Satire kennt keine Zurückhaltung, von Pietät oder Rücksichtnahme keine Spur. Und die Scheinheiligen stehen da und sagen: "Gott sei Dank! Ich bin nicht so", wie Onkel Nolte am Ende des Stücks "Die fromme Helene".

Zu sehen ist das Stück derzeit in der Staatsoper Hannover, ganz in der Nähe von Wiedensahl, dem Geburtsort Buschs. Das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zeigt bis November auch die Ausstellung "Avantgardist aus Wiedensahl", die verdeutlicht, wie Busch vor allem amerikanische Comic-Zeichner beeinflusst hat. Rudolph Dirks und McManus etwa, aber auch jenen Walt Disney, der später mit "Micky Maus" ein Imperium gründen wird. Busch zeichnete Kino-Comics, bevor das Kino erfunden wurde.

Buschs Kritik an der Gesellschaft zeigt sich in den Reaktionen der Leser. Die einen freuen sich offen, dass Max und Moritz sich die Bäuche mit Geflügel vollschlagen und dafür auch noch der arme Hund bestraft wird. So sollte das Leben sein. Die anderen heben lieber den Zeigefinger und zeigen auf das Ende. Jeder Übeltäter erhält seine Strafe. So ist das Leben. Aber mit Sicherheit haben sie auch gelacht, als Lämpel die Pfeife explodiert oder Böck beinahe im Fluss ertrinkt. Obwohl man das nicht macht. Das wissen sie.

Hier nun packt sie der Satiriker am Schlawittchen. "Er stellt nicht das Wahre, Schöne, Gute dar, sondern das Böse, Falsche, Hässliche", sagt der Direktor des Wilhelm-Busch-Museums, Hans Joachim Neyer. Busch nimmt die Spießbürger, die Scheinheiligen und die Moralapostel aufs Korn. Sie sind seine Hauptfiguren, die er demaskiert. Oder er schafft bewusste, ehrliche Gegengewichte: "Dahingegen so ein Laster, ja, das macht mir viel Pläsier; und ich hab die hübschen Sachen, lieber vor als hinter mir", geht es in der "Kritik des Herzens" weiter.

Biografie Wilhelm Busch wird am 15. April 1832 in Wiedensahl als ältestes von sieben Kindern geboren. Mit neun Jahren wird er zu seinem Onkel gegeben, mit 15 beginnt er ein Maschinenbau-Studium, das er nie abschließt. Er widmet sich der Malerei und bald auch seinen Bildergeschichten. Er stirbt am 9. Januar 1908.

Ausstellungen Das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zeigt "Avantgardist aus Wiedensahl" bis 18. November und "So viel Busch war nie" über seine Malerei bis 3. Juni. Im historischen Museum Hannover wird "Wilhelm Buschs Enkel - Comics made in Hannover" gezeigt. Eine Dauerausstellung im Geburtshaus in Wiedensahl legt einen biografischen Schwerpunkt.