Typojis: Neue Satzzeichen für mehr Eindeutigkeit?
Grafikdesigner hat so genannte Typojis entwickelt, die Missverständnisse in der Schriftsprache verhindern sollen.
Düsseldorf. „Das ist aber ein besonders schöner Hut“ — ein Satz, der sowohl als Kompliment als auch als schroffes Gegenteil dessen gemeint sein könnte. Während er in gesprochener Form noch begleitet von Tonfall, Gestik und Mimik seine eigentliche Intention recht schnell offenbart, fehlen diese zusätzlichen Hinweise bei der geschriebenen Sprache. Wie der Satz gemeint ist, ist aufgrund dessen weniger eindeutig.
Der österreichische Grafikdesigner Walter Bohatsch will das ändern. Er hat dazu 30 neue Satzschlusszeichen erfunden, sie nennen sich Typojis. Und sie sollen das zuvor Geschriebene kontextuell einordnen. So gibt es beispielsweise ein Zeichen für Ironie. Die Sache mit dem Hut wäre dann recht schnell geklärt. Bohatsch will so die Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache verringern und die schriftliche Kommunikation von Missverständnissen befreien.
Der Typograph und Grafiker hat ein Buch herausgegeben: „Typojis — einige neue Zeichen“ (Verlag Hermann Schmidt). Sein Anspruch: „Ich sehe die Typojis als ein Angebot. Und ich bin sehr gespannt, was die Schriftsprache daraus macht“, sagt er. Dass es einen Bedarf an zusätzlichen Satzzeichen gebe, zeige etwa die Erfindung des Interrobangs — dem Fragerufzeichen — in den 60er Jahren, das meist als hintereinandergestelltes Frage- und Ausrufezeichen dargestellt wird (?!). Beim echten Interrobang, das in der deutschen Sprache nicht standardisiert ist, werden die beiden Zeichen übereinandergelegt. Um 1800 habe es überdies schon mal ein Schriftzeichen für Ironie gegeben.
„Nehmen wir doch an, wir hätten von Anfang an das Schreiben mit 30 zusätzlichen Satzschlusszeichen gelernt. Ich glaube, dass das zu einer eindeutigeren Sprachkultur beigetragen hätte“, sagt Walter Bohatsch.
In stundenlangen kalligraphischen Übungen hat er erste Skizzen seiner neuen Satzzeichen angefertigt. Sie haben dadurch alle einen handschriftlichen Hintergrund. Zusätzlich hat der Grafikdesigner eine eigene, serifenlose Schrift entwickelt, in welche die 30 Typojis neben Punkt, Komma und den anderen Satzzeichen integriert sind. „Unser nächstes Ziel wäre natürlich die Zusammenarbeit mit den großen Firmen, sodass unsere Zeichen in den gängigen Schriftprogrammen oder auf der Smartphone-Tastatur angeboten werden.“ Man sei in ersten Gesprächen mit Interessenten, so der Wiener.
Es drängt sich an dieser Stelle die Frage auf: Braucht die Welt die neuen Satzzeichen als Interpretationshilfe? Walter Bohatsch beantwortet diese Frage gerne, ohne sich dabei auf den sprichwörtlichen Schlips getreten zu fühlen. Grundsätzlich seien die Reaktionen positiv, sagt er. Er räumt aber auch ein, dass es vonseiten einiger Literaten Kritik an seiner Erfindung gebe. Sinngemäß: Die Typojis seien überflüssig.
In diese Richtung geht auch die Stellungnahme der NRW-Landesgruppe des Verbands deutscher Schriftsteller. Deren Vorsitzender Volker W. Degener sagt: „Die abstrakte Schlichtheit der Typojis führt zurück in das Zeitalter in Stein gemeißelter Schriftzeichen. Nein, eine weitere Verkürzung und Verstümmelung unserer Kommunikation ist nicht wünschenswert. Jeder sollte sich mit seinen eigenen Worten so präzise wie möglich ausdrücken, ohne antrainierte Hilfsmittel.“ Fraglich ist überdies, wie es um die Bereitschaft der alphabetisierten Welt steht, sich 30 neue Vertreter der Interpunktion anzueignen.
Aber es gibt nicht nur Kritiker. Von der Dudenredaktion heißt es indes, man beobachte das Phänomen Typojis derzeit interessiert, für eine Bewertung dessen sei es aber noch zu früh.
Zu Beginn hatte Bohatsch nicht allzu große Hoffnung, dass aus seiner Idee etwas werden könnte. Dann gelang es ihm, eine Förderung des Austria Wirtschaftsservice (aws) zu bekommen, welche die Entwicklung und Digitalisierung der Zeichen finanziert hat.
Und wenn die Typojis sich nun nicht durchsetzen? Walter Bohatsch ist schon zufrieden, wenn er eine Debatte um die Eindeutigkeit der Schriftsprache auslöst, sagt er. Gerade in Zeiten von E-Mails und kurzfristig verfassten Texten, deren Entstehung nicht viel Zeit und Mühe in Anspruch nehmen darf. Im Job etwa. „Ich könnte mir auch vorstellen, dass nicht alle 30 Zeichen zukunftsfähig sind“, erklärt Bohatsch. Tatsächlich sei das Weisheitszeichen zum Beispiel keins, das im Alltag allzu oft Verwendung finden könnte. Nachvollziehbar, es hätte sicher etwas Anmaßendes, das Zeichen hinter jeden seiner Sätze zu stellen. „Aber vielleicht können sich ein paar Typojis im Schriftbild der Zukunft etablieren.“