Afghansistan: Angriff muss politisches Nachspiel haben
Der Bundeswehr-Angriff auf zwei Tanklastzüge im Norden Afghanistans war offenkundig unverhältnismäßig. Nachher ist man immer schlauer.
In der konkreten Situation entschied der Befehlshaber vor Ort, die Taliban nicht mit zwei Lkw davonkommen zu lassen. Die Aufständischen hätten sie später wie Bomben einsetzen können. Es war tiefste Nacht, und man glaubte, einzig Terroristen zu treffen und nicht Zivilisten.
Es war ein Trugschluss. Unter den Angehörigen der vielen Opfer des Luftschlags werden die Taliban mit Sicherheit ihre nächsten Selbstmordattentäter rekrutieren - und so kann es noch jahrelang weiter gehen.
Der Fehler hätte nie passieren dürfen, gerade der Bundeswehr nicht, die so stolz ist auf ihren etwas anderen Ansatz; die so viel für den Wiederaufbau leistet. Diese Leistung gerät in Misskredit und Deutschland außenpolitisch in die Isolation.
Man weiß nicht, worüber man sich mehr wundern soll: über die schonungslose Selbstkritik der Nato - das hat eine neue Qualität - oder über die mangelnde Solidarität von Partnern wie Frankreich, die von einem großen Fehler sprachen, bevor alle Fakten feststanden. Für den Einsatz am Hindukusch kann der Anschlag zu einem Wendepunkt werden.
Der Bundestag, der am Montag sowieso wegen der Lissabonner EU-Verträge tagt, darf nicht zur Tagesordnung übergehen. Der Vorfall in Afghanistan muss im Parlament aufgearbeitet werden. Von Verteidigungsminister Jung erwartet man drei Dinge: Information, Information und nochmals Information. Es wäre auch nicht falsch, wenn die Kanzlerin eine Regierungserklärung abgeben würde. Mehr noch: Afghanistan muss auch im Wahlkampf zur Sprache kommen.
Über Nacht kann sich die Bundeswehr nicht davonstehlen. Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen und einen Abzugsplan in Angriff zu nehmen. Das Datum 2015 steht im Raum.
Aus dem Munde von Gerhard Schröder klingt es wie ein Dementi seiner Politik, wenn er anmahnt, dass Afghanistan sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Er hat für den Einsatz am Hindukusch einst mit der Vertrauensfrage alles aufs Spiel gesetzt. Er tat sich damals nicht leicht - auch heute sollte man es ihm nicht unterstellen. Vielleicht kann nur der Altkanzler ein Datum setzen.